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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Beschäftigungen nachgingen, nicht wohl zu fühlen.
    Rumpelnd fuhr der Wagen weiter, und Hinrik trat zurück, weil die Räder durch den muldenartigen Graben rollten, der sich an den Häusern entlangzog und in dem allerlei Unrat in Richtung Hafen schwamm. Er wollte seine Kleidung nicht schmutzig machen. Zögernd blieb er stehen und wich den Männern, Frauen und Kinder aus, die geschäftig an ihm vorbeischritten oder -liefen. Die meisten machten einen hektischen Eindruck auf ihn, so als würde die Zeit in dieser großen Stadt schneller laufen als in Itzehoe oder den kleinen Dörfern. Die Frauen trugen durch die Gassen, was sie auf den Märken eingekauft hatten, während bei den Männern nicht so ohne weiteres zu erkennen war, was sie arbeiteten, ausgenommen die Färber, die auf offener Straße Felle gerbten, die Handwerker, die ihr Handwerkszeug mit sich führten, oder die Händler, die auf einfachen Karren Waren aller Art transportierten. Hinrik sah einen Schlachter, der ein lebendiges Schwein auf seinen breiten Schultern trug, und einen Hühnerhändler, der das Federvieh bei den Beinen zusammengebunden |113| und sich bündelweise über die Schultern geworfen hatte, oder einen Böttcher, der seine Fässer auf einem Wagen zur Brauerei brachte. Ein Wasserträger mit zwei Eimern über der Schulter musste sich den Spott der Kinder anhören, die hinter ihm herliefen und sich über ihn lustig machten.
    Sie verstummten erst, als aus einer Seitengasse vier Männer traten, die eine mit kostbaren Stoffen verzierte Sänfte trugen. Geradezu ehrfürchtig betrachteten sie den edlen Kasten, dessen Fenster mit Seide verhängt waren, so dass nur schemenhaft zu erkennen war, dass jemand darin saß. Eine zierliche Hand schob sich durch einen Spalt im Vorhang und öffnete ihn ein wenig. Es war die Hand einer Frau. Mit Diamanten versehene Ringe blitzten, und eine Perlenkette schmückte das Handgelenk. Das Antlitz war nicht zu sehen.
     
    Schweigend schritten die Träger durch die Gassen. Sie mussten niemanden auffordern, ihnen Platz zu machen, denn voller Respekt wichen ihnen alle aus.
    Hinrik folgte der Sänfte mit seinem Blick, bis sie in einer anderen Gasse verschwand. Er fragte sich, wer die Frau sein mochte, deren Fuß niemals mit dem Schlamm und dem Abfall in Berührung kam, der den Boden bedeckte. Sie gehörte sicherlich dem Haus eines reichen Fernhandelskaufmannes an und einer Welt, zu der er ebenso wenig Zugang hatte wie die vielen anderen Menschen in der Gasse.
    Er trat zur Seite, um einem rollenden Verkaufsstand Platz zu machen, der Würste und gebratenen Speck anbot. Während er langsam weiterging, sah er, dass Käse und Fische an anderen Ständen reißenden Absatz fanden. Niemand störte sich daran, dass wenige Schritte davon entfernt |114| die Därme, der Magen und andere Innereien eines geschlachteten Schweins lagen und dass Hunde sich daran gütlich taten. Ein intensiver Verwesungsgeruch hing in der Luft, aber den schien keiner der Passanten zu bemerken.
    Hinrik war froh, dass er seine grob geschnitzten Holzschuhe über den Lederstiefeln trug, so dass seine Füße nicht bei jedem Schritt bis an die Knöchel im Schmutz versanken. Er sah, dass der Unrat träge durch die Gräben in Richtung Alster rann, und er vermutete, dass die Stadt ihre Abfälle von dort aus in die einige Meilen entfernte Elbe entsorgte.
    Als sein Blick auf ein Holzschild fiel, auf das mit ungelenker Hand KRUG ZU DEN VIER EICHEN geschrieben worden war, beschloss er, etwas Heißes zu trinken, um sich aufzuwärmen. Er stieß die Tür auf, die so niedrig war, dass er sich bücken musste. Warme, stickige Luft und der intensive Geruch nach Bier, Schweiß und über dem offenen Feuer gebratenem Fleisch schlugen ihm entgegen.
    Hinrik schob sich an Betrunkenen vorbei, die zwischen den Tischen standen und miteinander redeten, um an einem kleinen Tisch nahe dem Kaminfeuer Platz zu nehmen. Hier roch es vor allem nach Kräutern, die man ins offene Feuer geworfen hatte. Erst jetzt spürte er die Kälte, die ihm bis tief in die Glieder gekrochen war, während er auf Gromanns Wagen gesessen hatte.
    Ein junges Mädchen kam an seinen Tisch, um ihn nach seinen Wünschen zu fragen. Sie war klein und kess und funkelte ihn aus schelmischen braunen Augen an. Schwarze lange Locken fielen ihr auf die nahezu unbedeckten Schultern. Als sie sich mit beiden Händen auf den Tisch stützte und dabei nach vorn beugte, öffnete sich der Ausschnitt ihres Kleides, und ihre üppigen Brüste

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