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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Räuber das Nachsehen hatten.
    Hinrik beschloss, vorsichtig zu sein und kein unnötiges Risiko einzugehen. Dank der Fürsorge Spööntjes hatte er sich gut erholt, noch aber war er nicht so weit, dass er es mit bloßen Fäusten gegen zwei oder drei bewaffnete Männer hätte aufnehmen können. So blieb er im Schutz der Bäume und Büsche, solange dies möglich war, und wartete. Vereinzelt zogen bewaffnete Männer an ihm vorbei, marodierende Banden, denen schon von weitem anzusehen war, dass ihnen ehrliche Arbeit niemals in den Sinn kommen würde. Gegen Mittag näherte sich ein Zug mit Händlern, Bauern und Gauklern, die mit hoch beladenen Wagen gen Hamburg fuhren. Er wollte sich ihnen anschließen. Sie wiesen ihn schroff zurück. Ein vierschrötiger Händler schwang einen Ochsenziemer und ließ ihn laut knallen.
    »Verschwindet«, rief er ihm drohend zu, »oder ich gebe Euch die Peitsche!«
    Einer der Bauern zückte ein langes Messer und wetzte es demonstrativ am Holz seines Wagens. Hinrik versuchte gar nicht erst, die Männer umzustimmen. Achselzuckend blieb er zurück und beschloss, auf eine bessere Gelegenheit zu warten. Er hatte Verständnis dafür, dass man ihn abgelehnt hatte. Vermutlich fürchteten die Händler, dass er zu Wegelagerern gehörte und die Aufgabe hatte, von einer drohenden Gefahr abzulenken.

|108| Die Stadt an der Alster
    Erst am späten Nachmittag ergab sich unverhofft eine weitere Gelegenheit. Mit einem Wagen, der von einem schweren Holsteiner gezogen wurde, fuhr ein Händler heran. Der Mann war allein mit seinem Gehilfen. Entweder fürchtete er sich nicht vor Überfällen, oder er war fremd in dieser Gegend und kannte die Gefahren nicht, die am Wegesrand lauerten. Während er sich heftig mit seinem Begleiter, einem schwarzhaarigen, buckligen Mann, der erheblich jünger war als er, stritt, achtete er nicht genügend auf den Weg mit seinen tief ausgefahrenen Furchen. Das Zugpferd geriet vom Weg ab, und bevor der Händler noch etwas korrigieren konnte, rutschte ein Rad zur Seite und geriet in ein tiefes Loch. Laut schreiend und die Peitsche schwingend versuchten die beiden Männer, das Pferd anzutreiben. Vergeblich. So sehr es sich auch ins Geschirr legte, es gelang ihm nicht, den Wagen herauszuziehen.
    Hinrik wartete eine Weile ab. Fluchend stiegen die beiden Männer vom Wagen, begutachteten ihn und begannen erneut darüber zu streiten, wie sie den festgefahrenen Wagen aus dem Loch holen sollten. Schließlich einigten sie sich darauf, einen Balken einzusetzen, um den Wagen hochzuhebeln, doch das Holz versank im weichen Boden, ohne dass sich das Fahrzeug bewegte. Mit vereinten Kräften stemmten sie sich in die Speichen der Räder. Vergeblich. Ratlos standen sie da.
    Das war die Gelegenheit für Hinrik. Er pfiff laut auf |109| den Fingern, um auf sich aufmerksam zu machen, und dann ging er langsam auf die Männer zu. Er sah, wie die beiden zu den Messern griffen, die in ihren Gürteln steckten. Beschwichtigend hob er die Arme.
    »Keine Sorge«, sagte er. »Ich bin auf dem Weg nach Hamburg und wäre froh, wenn ich nicht allein reisen müsste. Ich möchte mich euch anschließen. Vielleicht schaffen wir es zu dritt.«
    Er verlor keine weiteren Worte, sondern machte sich ans Werk. Er schleppte mehrere große Steine heran, die am Wegesrand lagen, und schuf damit eine stabile Unterlage für den Balken. Danach gelang es ihm, das versunkene Rad ein wenig anzuhebeln – gerade so weit, dass der Händler einen Stein unter das Rad schieben und ein weiteres Absinken im weichen Boden verhindern konnte. Damit war ein erster, aber entscheidender Schritt gelungen. Zusammen mit dem buckligen Helfer stemmte er sich erneut gegen den Balken, hebelte das Rad weiter in die Höhe, und der Händler sicherte es mit Steinen ab, bis es dem Pferd gelang, den Wagen anzuziehen.
    »Gute Arbeit«, lobte der Händler und reichte Hinrik die große schwielige Hand. »Mein Name ist Gromann. Ihr könnt mit uns fahren. Ist vielleicht ganz gut, wenn ein kräftiger Mann mehr bei uns ist. Auf dieser Strecke hat es ja schon einige Überfälle gegeben. Eigentlich wollte ich mich anderen Händlern anschließen, dummerweise hat dieser Narr an meiner Seite vergessen, mich rechtzeitig zu wecken.«
    »Weil du zu viel gesoffen hast«, murmelte der Bucklige gerade so laut, dass Hinrik ihn verstehen konnte. Gromanns gerötetes und aufgedunsenes Gesicht verriet, dass er gern und häufig tief ins Glas blickte. Seine Hände zitterten ein wenig, als

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