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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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sich, an dessen geistiger Gesundheit er zweifeln müsse. »Bist du aus Hamburg oder ich? Mann, ich bin die meiste Zeit auf See und kenne mich doch besser aus als du. Was ist los?«
    »Nichts.« Hinrik richtete sich auf und zuckte mit den Achseln. »Ich bin neu in dieser Stadt. Erst vor einer Woche bin ich angekommen.«
    »Ach so. Na, dann hör zu, mein Junge.« Er legte ihm großmütig den Arm um die Schulter. »Von Cronen ist nicht nur Ratsherr, sondern auch Richter, ein Richter |141| Gnadenlos. Man nennt ihn den besten Lieferanten für den Grasbrook.«
    »Und das ist . . .?«
    ». .. die Hinrichtungsstätte in Hamburg. Wenn man die Elbe heraufkommt, kann man sie sehen. Auf Pfählen hat der Scharfrichter die Schädel seiner Opfer festgenagelt, als Mahnung für alle Seeleute, die mit dummen Gedanken nach Hamburg kommen. Ein Tor der Totenschädel als Einfahrt zum Hafen.« Er gab ihm einen letzten Klaps auf die Schulter und ging an Bord. Mit rauer Stimme erteilte er seinen Leuten die Kommandos. Sie lösten die Leinen, und die Kogge legte ab. Raschelnd füllte sich das Segel, und träge nahm das Schiff Fahrt auf. Es wurde erst schneller, als es von der Strömung des Flusses erfasst und in Richtung Elbe getragen wurde.
    »Hey, wie lange willst du noch Maulaffen feilhalten?«, brüllte ein Fuhrmann, der darauf wartete, dass Hinrik den Platz an der Kaimauer freimachte. Mehrere Koggen näherten sich dem Hafen, kleinere Schiffe kamen die Alster herunter.
    Nachdenklich stieg Hinrik auf den Ochsenkarren. Wieder musste er an Wilham von Cronens Drohung denken. Plötzlich bekamen die Worte eine ganz besondere Bedeutung. Von Cronen war Richter und konnte Todesurteile verhängen. Hinrik zweifelte nicht daran, dass er genau das tun würde, sobald sich Gelegenheit dazu bot. Einen Vorwand und einige vermeintliche Zeugen zu finden würde ihm nicht schwerfallen.
    Um nicht ungebührlich aufzufallen, vermied er es, von Cronen allzu lange anzusehen. Es war nicht leicht für ihn. Am liebsten hätte er den Wagen stehen lassen, um dem Mann auf den Fersen zu bleiben, der ihn um alles gebracht hatte, was er besaß. Seine Hände schlossen sich fest |142| um das Holz neben seinem Sitz. Gemächlich trotteten die Rinder los.
    »Schade«, bedauerte der Müller, als Hinrik ihm eröffnete, dass er gehen wolle. »Aber ich habe es schon lange geahnt.« Er schlurfte zu der Tafel, auf der er notiert hatte, welchen Lohn er zahlen musste, und begann zu rechnen. Dabei sprach er leise vor sich hin, wie es seine Art war, löschte hier und da ein paar Striche und fügte an anderer Stelle neue hinzu. Kein Zweifel, er versuchte, seinen Gehilfen zu betrügen. Hinrik sah der Prozedur eine Weile zu, dann schritt er ein.
    »Wir wollen nicht übertreiben, Meister«, protestierte er, hütete sich jedoch, mehr von seinem rechnerischen Wissen zu verraten als unbedingt nötig.
    »Ich ziehe dir ab, was du gegessen und getrunken hast«, erwiderte der Müller mit ausdrucksloser Miene. »Das ist nur recht und billig. Außerdem habe ich dir eine Kammer zur Verfügung gestellt. Auch das kostet natürlich etwas.«
    »Vergiss nicht, dass ich die Luft in der Mühle geatmet habe«, spottete Hinrik. »Täglich habe ich dein Scheißhaus benutzt. Eigentlich müsstest du zurückrechnen, was ich dort hinterlassen habe. Immerhin kannst du es als Dünger benutzen.«
    Der Müller ließ die Kreide sinken, mit der er seine Striche gemacht hatte, und sah ihn ernst an. »Wir rechnen nach meiner Art ab, und wenn dir das nicht passt, gibt es Ärger. Dann sorge ich dafür, dass du in unserer Stadt keinen Fuß mehr auf die Erde kriegst. Ein Wort zu den Herren von der Zunft, und du bist erledigt.«
    Hinrik zuckte gleichmütig mit den Achseln. Der Müller hatte recht. Er hatte Macht und Einfluss, und er konnte ihm tatsächlich einen Knüppel zwischen die Beine werfen.
    »Zahl mir, was du für richtig hältst«, lenkte er ein. »Ich |143| bin einverstanden. Es ist besser, wenn wir als Freunde auseinandergehen und nicht als Feinde.«
    »Ich wusste doch, dass du ein vernünftiger Mann bist.« Der Müller zahlte ihm einen unverschämt niedrigen Lohn aus, aber Hinrik nahm es hin. Er hätte früher gehen können, um den Betrug in Grenzen zu halten. Nun war es zu spät.
    Er reichte dem Müller die Hand, tat so, als wäre er mit der Abrechnung zufrieden, nahm seine sieben Sachen und verließ die Mühle. Es kam ihm nicht auf das Geld an, denn er wusste, dass er einen anderen Weg finden würde, sich an von

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