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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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Überfall auf die »Hohe Tide«.
    Je weiter er kam, desto bleicher wurde sie. Er merkte, dass sie Angst hatte, Angst um ihn.
    »Um Himmels willen«, stammelte sie. »Das dürft Ihr niemandem erzählen. Es ist viel zu gefährlich, so etwas zu wissen.«
    »Seid Ihr sicher?«
    »Ja, ganz sicher«, betonte sie. Ihre Hand krallte sich in seinen Arm. »Vor einigen Wochen hat ein Tischler aus unserer Nachbarschaft etwas Ähnliches berichtet. Am nächsten Tag hat man ihn im Fleet gefunden, halb im Schlick versunken. Man hatte ihm die Hände und die Füße zusammengebunden und ihn ertränkt. Hier im Hafen überhört man so etwas. Es ist ja nicht unsere Kogge, die gekapert wurde.«
    Sie zögerte kurz, dann fügte sie hinzu: »Vermutlich wisst Ihr von der Witwe, die im Fleet ertränkt worden ist. Abgesehen davon, dass einige sie für unschuldig halten, ist ihr Vermögen seltsamerweise Richter von Cronen zugesprochen worden. Karsten Bartalomaeus soll versucht haben, die Frau zu retten, aber bevor er zu Ende bringen konnte, was er angefangen hatte, kam er in London ums Leben. Böse Zungen behaupten, Wilham von Cronen habe damit zu tun. Ich weiß nicht, ob das zutrifft, aber ich weiß, dass man bei allem, was man über den Ratsherrn sagt, sehr vorsichtig sein muss. Und nicht nur bei ihm. Auch bei seinem Sohn Christoph. Vor allem bei ihm. Er hält sich immer im Hintergrund und tut so, als wäre er vor allem an Weiberröcken interessiert, aber ich glaube, |176| dass er es faustdick hinter den Ohren hat und gefährlicher ist als sein Vater.«
    Sie beschwor ihn, zu schweigen und nicht mehr an das Gespräch zu denken.
    »Es steht nicht in unserer Macht, etwas zu ändern«, erklärte sie, während sie ihren Weg langsam fortsetzten. »Bei ihm ist es anders. Ich glaube, er hat etwas in der Hand gegen seinen Vater.«
    »Wie kommt Ihr darauf?«
    »Nun, Wilham von Cronen und mein Vater hatten beschlossen, mich mit Christoph zu verheiraten«, berichtete sie und weidete sich ein wenig daran, wie überrascht und betroffen er diese Nachricht aufnahm. »Als ich in Hamburg eintraf, hat Christoph mir jedoch erklärt, dass er gar nicht daran denkt, mich zu heiraten. Und ich habe ihm gesagt, dass ich ihn herzlich unsympathisch finde und froh bin, wenn er mich verschmäht.«
    »Ihr hättet Euch beugen müssen, wenn Wilham von Cronen und Euer Vater es so gewollt hätten.«
    »Das ist richtig, aber ein paar Tage nach meiner Ankunft folgte mir mein Vater wie vereinbart nach Hamburg, um von da an hier als Arzt zu praktizieren. Er ließ mich wissen, dass Wilham von Cronen seine Entscheidung verworfen habe und dass die Vereinbarung nichtig sei.« Sie blieb kurz stehen und blickte ihn an.
    »So etwas ist äußerst ungewöhnlich«, wunderte sich Hinrik. »Normalerweise ist es ein Gebot der Ehre, sich an eine solche Vereinbarung zu halten.«
    »Eben«, stimmte sie zu. »Ich kann nur vermuten, dass Christoph seinen Vater unter Druck gesetzt hat, denn sonst hätte sich gar nichts geändert.« Sie lachte. »Ich war sehr glücklich über dieses Ende der Geschichte. Mein Vater fand sich damit ab. Lediglich Ava, meine Zofe, war empört. Vollkommen außer sich verließ sie Hamburg und |177| kehrte nach Itzehoe zurück, um sich um den dortigen Besitz meines Vaters zu kümmern.«
    An diesem Abend ging Hinrik sehr nachdenklich zu seinem Boot zurück. Er dachte nicht nur an Greetje, sondern auch an die Vitalienbrüder. Ihm war nun klar geworden, dass diese – und damit Claas Störtebeker als einer ihrer Anführer – ihre Fäden bis nach Hamburg gesponnen hatten. Sie kreuzten nicht suchend auf Ost- und Nordsee herum, um auf gut Glück und in der Hoffnung auf reiche Beute Handelsschiffe zu überfallen, sondern sie wussten über die Schiffsbewegungen und die Fracht der Schiffe Bescheid. Dazu brauchten sie nicht mehr als einen aufmerksamen Beobachter im Hamburger Hafen. Wer die Augen aufmachte, konnte mühelos feststellen, welches Schiff mit welcher Fracht beladen wurde.
    Dennoch reichte die reine Überwachung des Hafens und der Schiffe nicht aus, denn die Informationen mussten an die Freibeuter weitergegeben werden, und es war nicht so einfach, sie schnell genug zu erreichen. Immerhin musste derjenige, der die Nachricht überbrachte, schneller sein als das Schiff, das als Ziel auserkoren war. Die Freibeuter brauchten einen Vorsprung, um ein bestimmtes Gebiet ansteuern und sich dort auf die Lauer legen zu können. Das setzte voraus, dass sie entweder über eine besonders

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