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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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ich keinem einzigen von ihnen. Es sind weniger, als man an einer Hand abzählen kann.«
    Sie hatten von Cronens Haus erreicht, und Greetje ging wie an jedem Tag hinüber, um ihre Medizin abzugeben. Christoph empfing sie an der Tür, neben der eine dicke Kerze brannte, und verwickelte sie in ein ausgedehntes Gespräch. Hinrik beobachtete sie. Er merkte, dass sie immer wieder versuchte, sich ihm zu entziehen, Christoph aber ließ sie nicht gehen. Wenn sie sich abwandte, stellte er sich ihr rasch in den Weg oder streckte einen |183| Arm aus, so dass sie nicht an ihm vorbeikam. Er war überaus freundlich, lachte und scherzte, und seine Körpersprache ließ erkennen, dass er mit ihr zu schäkern versuchte. Hinrik wäre am liebsten zu ihnen gegangen, um Greetje zu befreien, doch er hielt sich zurück. Es wäre zu gefährlich gewesen, einen Streit mit dem Sohn jenes Mannes anzufangen, dem er den Tod wünschte und an dem er sich irgendwann rächen würde.
    Endlich, nach beinahe einer Stunde, ließ Christoph Greetje gehen. Er humpelte ein paar Schritte neben ihr her, wobei der hölzerne Stumpf an seinem rechten Fuß ein dumpfes Geräusch auf den Holzbohlen erzeugte, die vor dem Haus als Gehweg ausgelegt waren. Endlich schüttelte sie ihn ab, beschleunigte ihre Schritte und eilte davon.
    »Dieser eitle Widerling«, zischte Greetje zornig, als sie Hinrik erreicht hatte. Sie hakte sich bei ihm unter und kam ihm so nahe wie noch nie. »Ich wollte, ich könnte ihm einfach den Rücken zudrehen. Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, hätte ich ihn heiraten müssen. Gott sei’s gedankt, dass daraus nichts geworden ist.« Wiederum wechselte sie das Thema, bevor er darauf eingehen musste. »Ihr wolltet mir erzählen, weshalb Ihr aufgehört habt, Ritter zu sein.«
    »Es gab mehrere Gründe«, antwortete er. »Einer aber war mir besonders wichtig. Wir Ritter wurden als Kämpfer für verschiedene Landesfürsten angeworben, die ihren Streit nur im offenen Kampf regeln konnten. Dabei ging es hauptsächlich gegen Bauernschaften, die sich dagegen wehrten, eine zu hohe Pacht zahlen zu müssen, oder die sich aus anderen Gründen weigerten, ihren Herren zu folgen. Bei einigen Scharmützeln stürmten wir Ritter auf unseren Pferden auf unsere Gegner zu und walzten sie allein durch diese Wucht nieder. Wir brauchten das |184| Schwert nicht zu heben. Es genügte, mit unseren gepanzerten Pferden in ihre Reihen hineinzugaloppieren, um bereits beim ersten Angriff die Hälfte von ihnen niederzumachen.«
    Sie hörte wortlos zu, warf ihm hin und wieder einen Blick zu.
    »So kämpfen Ritter nun einmal.« Es klang fast wie eine Entschuldigung. »Auch wenn wir hohe Herrschaften auf ihren Reisen durch das Land begleiteten oder wichtige Transporte sicherten, kam es zu Überfällen, und wir ritten die Angreifer nieder. Doch die Zeiten ändern sich, und unsere Feinde werden schlauer. Sie begegnen uns nicht mehr in einer offenen Front, sondern wenden eine Taktik gegen uns an, die uns zu Änderungen bei Angriff und Kampf zwingen. Sie haben neue Waffen entwickelt. Langbögen beispielsweise, mit denen sie Pfeile verschießen können, die unsere Rüstung durchschlagen. Und sie haben Armbrüste, mit denen sie Kurzpfeile abfeuern.« Sie schritten eine Weile schweigend nebeneinander her. »Ich habe versucht, den hohen Herren und den anderen Rittern klar zu machen, dass auch wir unsere Taktik ändern müssen. Ich habe ihnen von dem Kampf in der Marsch erzählt, bei dem die Ritter in den Sumpf gelockt wurden und bei dem die Feinde erst angriffen, als keiner der Ritter sich mehr wehren konnte. Davon wollte niemand etwas hören.«
    Er blieb stehen.
    »Seht Ihr, Greetje, deshalb habe ich ein leichtes Pferd gezüchtet. Die schweren Rosse gehören der Vergangenheit an. Die temperamentvollen, leichten Pferde sind die Zukunft. Aber das will mir bis heute niemand glauben. Pflupfennig hat Tuz töten lassen. Dieser Narr! Er und seine Freunde haben nicht begriffen, welche Vorteile solche Pferde bieten. Sie halten stur und unbeirrt an den |185| alten, wuchtigen Kolossen fest. Sie begreifen nicht, dass die Verhältnisse sich ändern und dass man sich anpassen muss. Aber sie werden umdenken müssen.«
    Er irrte sich. Mehr als vier Generationen sollten vergehen, bis in einem Kloster bei Itzehoe ein neues Pferd gezüchtet wurde, das seinen Vorstellungen entsprach. Es würde einen Siegeszug um die Welt antreten – der Holsteiner, ein so genannter Warmblüter.
    Sie erreichten das Haus

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