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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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schnelle Botenstaffel auf dem Land verfügten oder dass sie die nötigen Instruktionen schon einige Tage vor dem Auslaufen der Schiffe erhielten.
    Bevor er einschlief, versuchte er die Gedanken an das Gespräch und die Freibeuter um Störtebeker und Gödeke Michels zu verdrängen, um nur noch an Greetje zu denken. Er meinte, ihre warmen Lippen auf den seinen fühlen zu können. Bald aber beschäftigten ihn wieder die Piraten, und dabei empfand er keineswegs Ablehnung für sie. Auf der einen Seite war er sich bewusst, dass Störtebeker und |178| seine Kumpane gegen die Gesetze verstießen, indem sie die Fracht der Schiffe an sich brachten und Menschenleben gefährdeten. Trafen die verschiedenen Gerüchte zu, dann hatten sie sogar eine große Zahl von Menschenleben auf dem Gewissen.
    Hinrik befand sich wirtschaftlich in einer Sackgasse, was ihm bewusst war, seit er Hamburg erreicht hatte. Bislang hatte ihn dieser Zustand jedoch nur am Rande interessiert. Sein Ziel war nicht der wirtschaftliche Aufstieg gewesen. Nun aber war alles anders geworden. Er liebte Greetje, konnte jedoch nicht um sie werben, solange er mittellos war. Er wäre noch nicht einmal in der Lage gewesen, ihr ein Zuhause zu bieten. Er arbeitete von früh bis spät, verdiente dabei aber so wenig, dass er gerade über die Runden kam. Auf diese Weise würde er sich nie aus seiner Armut lösen können.
    Bisher war er von dem einzigen Gedanken erfüllt gewesen, sich an Wilham von Cronen zu rächen. Dass dabei Monat um Monat verstrich, ohne dass er seinem Ziel einen einzigen Schritt näher kam, beunruhigte und enttäuschte ihn keineswegs. Sobald er ungeduldig wurde, rief er sich Spööntjes Worte in Erinnerung, die ihn davor gewarnt hatte, sich seinem mächtigen Feind zu früh und ohne die notwendige Vorbereitung zu nähern.
    Ein kleines Lächeln, ein kurzer Blick Greetjes hatten alles verändert. Diese junge, schöne Frau hatte sein Herz berührt, und seitdem wollte es sich nicht mehr beruhigen. Sie ging ihm nicht aus dem Sinn, und sobald sich die Gelegenheit bot, dachte er darüber nach, was er tun konnte, um mehr zu verdienen und sie für sich zu gewinnen. Er fürchtete, dass sie ihn auslachen würde, wenn er ihr seine Liebe zu früh gestand. Als Tochter des Arztes Hans Barg stammte sie aus einem wohlhabenden und angesehenen Haus. Er hatte buchstäblich nichts als das, was |179| er auf dem Leibe trug. Dass er einmal einen einträglichen Landbesitz sein Eigen genannt hatte, zählte nicht mehr. Auch nicht, dass er sich als Ritter ein gewisses Ansehen erworben hatte. Das war vorbei. Die Gegenwart war hart und grausam, und sie war von seiner Armut geprägt.
    Seine Liebe zu Greetje wurde zusätzlich durch die Verbindung belastet, die es zu Hans Barg gab. Der Arzt hatte ihn übervorteilt, als er ihm das Haus seiner Eltern in Itzehoe abgekauft hatte, und er gehörte zum Kreis jener, die ihn im Haus des Grafen Pflupfennig betrogen hatten. Solange er mittellos war, würde Hans Barg ihm seine Tochter auf keinen Fall geben. Anders mochte es aussehen, wenn er als wohlhabender Mann zu ihm gehen und um ihre Hand bitten konnte.
    Es schien nur einen einzigen Weg zu geben. Wenn er sich Störtebeker anschließen könnte, hätte er die Möglichkeit, sich den goldenen Boden zu schaffen, auf dem er gemeinsam mit Greetje in eine hellere Zukunft schreiten konnte.
    So verkehrt konnte es ja nicht sein, jenen Handelsherren ein wenig von dem Reichtum wegzunehmen, den sie auf dem Rücken der Tagelöhner und der Arbeiter gewonnen hatten. Diese »Pfeffersäcke« beuteten die Armen erbarmungslos aus, und das wurde nicht erträglicher dadurch, dass die Reichen Geld stifteten für den Bau von prachtvollen Kirchen oder öffentlichen Gebäuden, mit denen die Hansestadt protzen konnte. Störtebeker machte die Reichen ja nicht arm. Nach einer Begegnung mit ihm waren sie eben ein bisschen weniger reich.
    Vom nächsten Tag an bemühte Hinrik sich um eine andere Arbeit. Doch vergeblich. Es gab niemanden im Hafen, der ihn beschäftigen und dabei mehr zahlen wollte als der Hafenmeister. So vergingen die Monate. Der Sommer |180| neigte sich seinem Ende zu, der Herbst zog herauf, und Fieten Krai sang in den Wirtshäusern davon, dass die »Jagdsaison« für Störtebeker und seine Likedeeler nun vorbei war, da sich immer weniger Schiffe auf die von Herbststürmen aufgewühlte See hinauswagten.
    Der Winter senkte sich mit frostigen Nächten und ersten Schneefällen über die Stadt herab, und die

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