Der blutrote Kolibri
die Atmosphäre blies. Mit Schrecken erkannte sie nun auch, was hinter der Rauchsäule zurückblieb: nichts. Die Landschaft hinter dem Strudel war leer. Kein Mensch, kein Tier, keine Pflanze lieà er zurück, nur nackte, verbrannte Erde. Goliath fraà alles, was lebendig war.
Animayas Finger krampften sich in Kapkas Mähne. Sie versuchte, sein Tempo zu zügeln, aber das Tier galoppierte wie von Sinnen weiter.
»Stopp!«, brüllte Animaya gegen das Ãchzen und Rattern an. Keine Reaktion. In seiner Panik raste er geradewegs auf die Säule zu.
Jetzt spürte Animaya den Sog des Strudels. Die Haare wurden ihr ins Gesicht geweht, er riss an ihrem Kleid. Geschockt musste Animaya mit ansehen, wie auch Vinoc gegen seinen Willen geradewegs in den Rauch hineinritt.
»Vinoc!«, schrie sie. Doch wie sollte er sie in dem Lärm hören?
Kurz bevor sie Vinoc in die Rauchsäule folgte, blitzte ein Bild vor Animayas Augen auf. Ein Junge mit Wassertropfen auf Brust und Gesicht.
»Perlenhaut«, sagte Animaya leise und eine Träne rann über ihre Schläfe. »Wenn ich hier lebend herauskomme, will ich dich unbedingt wiedersehen â¦Â«
Links von ihr schlug ein kreischender Baum auf den Boden auf. Dann hielt Animaya den Atem an und tauchte in die unheimliche Säule ein. Der beiÃende Qualm zwang sie, die Augen zu schlieÃen. Blind ritt sie in die Arme einer Bestie. Ohne zu hören, ohne zu sehen, nur mit dem widerlichen Rauch in Nase und Kehle.
Sie presste den Kopf in Kapkas Mähne, wenigstens ihr Gesicht wollte sie schützen. Unter ihr arbeitete sich der Lamagua hengst vorwärts. Es gab nicht vieles, was diese Tiere erschreckte, so waren sie gezüchtet worden. Aber die bebenden Flanken an Animayas Schenkeln verrieten ihn.
»Psst!«, hörte sie Vinocs Stimme plötzlich durch all den Lärm.
Es musste Einbildung sein. Krampfhaft versuchte Animaya, die Augen zu öffnen. Zunächst gelang es nicht, denn ihre Wimpern waren von Ruà und Hitze verklebt. Der Sog wollte sie wieder zurückziehen, jetzt in die andere Richtung. Kapka hielt an. Animayas Herz setzte vor Angst einen Schlag aus. Sie waren durch die Säule geritten und hatten überlebt.
»Hierher!«
Das war ganz eindeutig Vinoc gewesen. Animaya rieb sich mit dem Handrücken den Schmutzfilm vom Gesicht und blinzelte. Vinoc stand unter einem Baum, beinahe ganz verborgen von dichtem Gestrüpp und Rauch. Der Qualm war nicht mehr ganz so dicht, stank aber noch immer bestialisch. Vinoc winkte hektisch. Animaya wendete ihren Hengst und ritt auf den Freund zu. Kapka hatte Mühe vorwärtszukommen. Durch die Rauchschleier hindurch erkannte Animaya, dass der Boden vollkommen verbrannt war.
»Was ..?«, hob sie an zu fragen, doch Vinoc legte den Finger an die Lippen.
Animaya sprang ab und lief zu ihm. Sie war so froh, ihren Gefährten wiederzuhaben. Vinoc strich ihr übers Haar.
»Er hat ein Heer«, flüsterte Vinoc.
Animaya verstand ihn trotz des Höllenlärms ganz deutlich. Sie wusste nicht, wie er das machte. Er schien in ihrem Kopf zu sprechen.
Von Sekunde zu Sekunde wurde der Qualm dünner, verflüchtigte sich über dem Nichts, das die wandernde Rauchsäule zurücklieÃ. Dann riss der schwarze Vorhang auf und Animaya sah alles. Sie glaubte, ihren Augen nicht zu trauen: Vor ihnen lag eine andere Welt.
Von der Rauchsäule weg führte eine Art StraÃe durch diese Welt, breit wie vier, fünf Lamaguas. Schimmernde Häuser, die aus Gold oder Silber zu bestehen schienen, stapelten sich an den Seiten. Manche von ihnen bewegten sich auf riesigen schwarzen Scheiben vorwärts. Andere hatten grässliche Mäuler, mit denen sie kleinere Bäume aus dem Boden reiÃen und auf einen Stapel werfen konnten.
Goliath hatte wirklich ein Heer â und zwar ein gewaltiges! In den Häusern, in den Baumfressern und auf der StraÃe wimmelte es von menschlichen Wesen.
Ihre Rüstungen waren blau und dunkelgrün, ihre Helme aus einem schmutzig gelben Metall. Die meisten trugen Waffen an langen Stangen, mit denen sie auf das Nichts einschlugen, das die Säule geschaffen hatte. Sie rissen die Erde weiter auf, legten Rohre hinein, die sie trotz der ungeheuren Länge mühelos tragen konnten. Manche brüllten in schmale schwarze Klötze in ihren Händen.
Animaya versuchte, ihre Gedanken zu sortieren, aber das war unmöglich. Sie sah
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