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Der blutrote Kolibri

Der blutrote Kolibri

Titel: Der blutrote Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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verteidigt hatte? Animaya lachte und lachte. Tränen liefen ihr die Wangen herunter. Gleich war sie dran. Mit dem Kopf nach unten kletterten zwei Spinnenmenschen schon auf sie zu. Trotzdem konnte sie nicht aufhören zu lachen.
    Die beiden Männer hatten zusammengerollte Seile geschultert. Wie sie das nur machten, nicht an ihren eigenen Fallen kleben zu bleiben? Kurz bevor sie Animaya erreicht hatten, fiel einer der Spinnenmenschen vom Baum. Eben noch hatte er sich so sicher und leichtfüßig bewegt wie ein Rothörnchen. Jetzt sauste er wie eine reife Frucht an Animaya vorbei Richtung Boden. Animaya hörte ein Knacken, als der Spinnenmann aufschlug.
    Der Zweite riss entsetzt die Augen auf. Er schien verwirrt. Jetzt erkannte Animaya auch den Grund. In seiner Stirn steckte ein Pfeil. Einen Atemzug lang konnte er sich noch halten, dann stürzte auch er ab.
    Von unten drang eine Stimme an Animayas Ohr: »Sternauge, halte durch!«
    Und schon schoss Perlenhaut einen weiteren Pfeil in die Baumkrone. Mit Anlauf rannte er die breite Brettwurzel hoch. Neben Animaya stoppte er, rammte ein Messer in den Stamm, um sich festzuhalten, langte mit dem anderen Arm zu ihr hinüber und sägte mit seinem Muschelschwert an dem Seil.
    Â»Lass dich einfach fallen, vertrau mir«, sagte er sanft. »Das Lamagua ist direkt unter dir.«
    Dich schickt der Himmel!, dachte sie voller Dankbarkeit und nickte. Sie spürte, wie sich der Strick um ihren Brustkorb bereits etwas lockerte.
    Doch plötzlich bewegten sich die Zweige über dem Krokodilreiter. »Perlenhaut!«, schrie sie panisch.
    Der Junge blickte sie verdutzt an. Dann verstand er die Warnung. Blitzschnell schlug er auch das Schwert in die Rinde und schoss zwei Pfeile ab. Genauso viele Schreie verkündeten, dass sie ins Ziel gefunden hatten.
    Dann spürte Animaya einen heftigen Ruck, Luft strömte in ihre Lunge und sie sauste gen Boden. Mit einem Auge schielte sie in die Tiefe. Wie Perlenauge gesagt hatte, stand Kapka genau unter ihr. Sie schaffte es gerade noch, die Beine zu öffnen, schon landete sie auf seinem Rücken. Der Hengst schnaubte lautstark.
    Â»Lauf!«, kommandierte sie hustend. »Bring mich in Sicher heit!«
    Sofort sprengte das Lamagua los. Mit letzter Kraft krallte sich Animaya in seinem Fell fest.
    Perlenhaut!, durchzuckte es sie. Ich kann ihn doch nicht alleine lassen! Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Perlenhaut aus großer Höhe vom Baum heruntersprang – geradewegs auf den Rücken von Vinocs Lamagua. Normalerweise zerfleischten diese Tiere jeden Fremden, der sich ihnen auch nur näherte. So waren sie gezüchtet worden. Doch zu Animayas größter Verwunderung fing das Lamagua Perlenhaut sanft auf und raste dann im Zickzack hinter Kapka her.
    Â»Schneller!«, rief Animaya, als sie hinter sich die Lassos der Spinnenmenschen herunterschnellen hörte. »Lauf, Kapka, lauf!«
    Mit kräftigen Sprüngen jagte er einen Abhang hinab. Animaya hörte das Rascheln unter den Hufen des zweiten Lamaguas. Perlenhaut feuerte es an. Er war also dicht hinter ihr. Sie holte tief Luft. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
    Alles schaukelte. Animaya saß in einer Sänfte, verborgen hinter undurchsichtigen Vorhängen. Wisya kniete zu ihren Füßen und legte letzte Hand an das Hochzeitskleid. Animayas Finger und Arme waren mit Schmuck behangen. Sie platzte beinahe vor Glück. Dort draußen wartete ihr Ehemann, einer, den sie ausgewählt hatte. Wie Wisya ihren Vinoc.
    Animaya erhob sich und schlug den Stoff zur Seite. Da brandete Jubel auf. Paititi war geschmückt wie am Haremsfest, seine Bewohner standen auf den Straßen und auf den Stufen des Tempels, sie drängten sich auf dem Dach des Palastes und winkten. Sie beugten ihr Haupt und warfen der jungen Braut Maiskörner in die Sänfte, als Symbol für Fruchtbarkeit und viele Kinder.
    Tagelang hatten die Menschen Paititi von Lianen und Bromelien, von Farnen und Pilzen befreit und so aus dem jahrhundertelangen Tiefschlaf geweckt.
    Die Stadt glänzte. Die Gesandten der Krokodilreiter legten ihre Geschenke nieder, Spinnenmenschen seilten sich von den überhängenden Ästen ab und streuten einen Teppich von Blüten aus den höchsten Baumkronen vor die Sänfte. Vor dem Tempel wartete ihr Bräutigam.
    Als Animaya wieder zu sich kam, blitzten Lichter über ihr. Sie brauchte eine ganze Weile, um zu verstehen, dass es die

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