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Der blutrote Kolibri

Der blutrote Kolibri

Titel: Der blutrote Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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oder ihnen, wie die Albinas, Steine in den Weg legten.
    Â»Ani?«, flüsterte plötzlich eine Stimme, die sie so lange vermisst hatte.
    Der rote Kolibri sauste durch die Tür. Hinter ihm betrat Pillpa den Raum. »Ani, bist du wirklich hier?«
    Animaya stand auf. Ihr Herz hüpfte vor Freude.
    Â»Pillpa!«, jubelte sie viel zu laut. »Mein Schmetterling!« Tränen schossen in ihr hoch. »Ich hatte schon geglaubt, wir würden uns nie mehr wiedersehen!«
    Mit verschleiertem Blick fiel sie ihrer besten Freundin um den Hals. Auch Pillpa weinte. Lange standen sie so da und Animaya genoss einfach nur die Umarmung.
    Â»Einen guten Platz hast du dir ausgesucht«, flüsterte Pillpa. »Weitab von den Schlafsälen, hier hört uns keiner. Und auch der Zeitpunkt ist ideal. Das nächste Gebet findet erst nach Sonnenaufgang statt.«
    Sie seufzte tief. »Erschrick nicht, wenn du mich ansiehst, Ani.«
    Animaya ließ ihren Hals nur widerstrebend los. »Warum sollte ich denn …?«
    Der Schock zuckte Animaya durch alle Glieder. Pillpas Gesicht, das doch immer so hübsch und fröhlich gewesen war, wirkte fürchterlich entstellt. Animaya brauchte ein paar Herzschläge lang, um zu begreifen, was der Grund für das Maskenhafte war: die Augen. Pillpas Augen lagen tot in den Höhlen. Die Pupillen waren trüb, die Augäpfel versengt. Ihre Freundin war blind.
    Â»Wer hat dir das angetan?«, presste Animaya hervor. Ihre Fäuste waren geballt. Sie war dazu bereit, jeden, wirklich jeden, auf der Stelle für diese Schandtat umzubringen.
    Â»Kapnu Singa. Alle Tempeldienerinnen werden geblendet. Keiner außer den Generälen darf sehen, was im Tempel geschieht.«
    Â»Ich bringe dich hier raus, Pillpa!«, sagte Animaya entschlossen. »Das schwöre ich. Und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue!«
    Als Natan leise aufstand, warf Pillpa den Kopf herum. Sie richtete ihr Ohr, nicht ihre Augen, auf das Wasserbecken.
    Â»Du bist nicht allein …?«
    Natan ging auf Pillpa zu und reichte ihr die Hand. »Ich heiße Natan, aber deine Freundin hat mich Perlenhaut getauft.«
    Pillpa legte unsicher den Kopf schief und versuchte ein Lächeln. Wieder versetzte ihr Anblick Animaya einen Stich ins Herz.
    Â»Natan?«, sagte sie nachdenklich. »Ich kenne dich nicht. Stammst du aus dem Armenviertel?«
    Â»Ich …«
    Â»Er ist ein Krokodilreiter«, gestand Animaya. »Vergiss alles, was du jemals über ihren Stamm gehört hast. Das waren nur gemeine Lügen.«
    Da erhellte sich Pillpas Gesicht. »Du hast schöne Hände, Perlenhaut«, flirtete sie kokett. »Lass niemals zu, dass sie Ani verletzen.«
    Animaya räusperte sich. »Wir holen dich hier raus, aber jetzt brauchen wir erst mal deine Hilfe: Kannst du uns zu der Albina führen?«
    Pillpa zuckte zusammen und ließ Natan los. »Ihr kommt zu spät, sie ist tot.«
    Ungläubig schüttelte Animaya den Kopf. »Das kann nicht sein! Albinas sind Geister der Tote n ! Was sollte ihnen etwas anhaben können?«
    Â»Sonnenlicht«, flüsterte Natan.
    Jetzt erinnerte sich Animaya an den furchtbaren Schrei der Albina, als Kapnu Singas Umhang von ihr gerutscht war.
    Pillpa nickte bestätigend. »Kapnu Singa hat eine Lumen peitsche benutzt. Ihre Strahlen haben die Albina so geschwächt, dass sie ihre letzte Kraft ausgehaucht hat. Ich habe es mit eigenen Augen …« Sie stockte. »… ich meine, mit eigenen Ohren gehört.«
    Animaya ließ die Schultern hängen. »Dann wird unser Volk zugrunde gehen. Nur die Albinas wissen, wie man den wahren Thronfolger erkennt.«
    Pillpa grinste. »Und ich!«
    Erstaunt riss Animaya die Augen auf. »Du? Woher …?«
    Â»Ich habe doch schon gesagt, dass ich Kapnu Singa belauscht habe. Er hat die Albina gefoltert, bis sie mit der Sprache rausrückte.«
    Â»Und wie? Nun rede doch!«
    Â»Es wird ein Lamagua mit zwei Köpfen geboren werden. Das Fohlen erkennt den wahren Inka.«
    Erschrocken hielt sich Animaya die Hand vor den Mund. »Deshalb bringt Kapnu Singa alle Fohlen um.« Augenblick lich wusste sie, wer das prophezeite Tier zur Welt bringen würde: Makuku!
    Schon war Animaya mit einem Bein zurück im Becken. »Es wird Makukus Junges sein, ich muss zu ihr …«, stammelte sie entschuldigend.
    Pillpa streckte die Arme aus, um sie

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