Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
der deutschen Mannschaft wurde einmal vor Journalisten »die Wucht eines Jumpkicks (Sprungfußstoß) demonstriert«. Das stand so am 1. November 1978 in der Zeitung: »Der mutige Rundfunkmann, der mit einem dicken Schaumgummipolster als Angriffsobjekt diente, wurde trotz kräftiger Statur und in Erwartung eines kräftigen Schubs weit zurückgeschleudert.«
Wenn man die Zeitungsberichte von damals liest, kann man es kaum fassen, wie die Leute auf die neuen Kampfsportarten reagierten. Meine Exfrau hat viele Artikel aufgehoben, fünf Mappen voll. Der folgende ist auch von 1978, und wenn man ihn liest, versteht man, wie das vor über 30 Jahren war, als asiatische Kampfsportarten bei uns in Deutschland noch kein Massensport waren. Er sagt eigentlich alles:
»Die jüngsten Kinder fernöstlicher Kampfsportarten, die furchtlosen Freunde des Full-Contact-Karate werden am Sonntag in der Deutschlandhalle den sogenannten ›Traditionellen‹ einen äußerst schmerzhaften Handkantenschlag verpassen: An diesem Tag veranstalten sie nämlich ihre erste Weltmeisterschaft, die Turnierleiter Georg F. Brückner auf den WM-Plakaten mit geradezu asiatischer Zurückhaltung schlicht als ›Die Sensation!‹ etikettierte. Gichin Funakoshi aus Okinawa (1871–1957), Begründer des modernen Karate, der Mann also, der in die ›Kara‹ (leer, nackt, unbewaffnet) ›Te‹ (Hand) den ›Do‹ (Weg, Grundsatz, philosophisches Prinzip) drückte, hätte solchen Frevel kaum verwunden. Und Bodhidharma gar, der legendäre, um 440 n.Chr. geborene Alt-Urvater des Karate und 28. Nachfolger Buddhas, wäre vor lauter Wut sicherlich an die steinerne Decke seines chinesischen Klosters Shaolin gesprungen. Von ihren ehrwürdigen Ahnen, den ›Asiaten, die die Weisheit gepachtet haben‹ (Brückner), und von deren praktizierenden Jüngern, wollten die Anhänger des modernen Leicht- und Vollkontakt-Sportkarate überhaupt nichts mehr wissen. Deshalb gründeten sie vor noch nicht einmal 20 Monaten einen eigenen Verband, die WAKO (World All-Style Karate Organization), rüsteten sich mit Hand-, Fuß-, Schienbein-, Hoden-, Kopf- und Mundschutz aus und hieben mit Fäusten und Füßen aufeinander ein; zweimal zwei Minuten lang und kompromisslos, jedoch nach strengen Regeln und Wertungen.
Dieser Vollkontakt, die Miteinbeziehung des Knock-Outs, trat natürlich das wesentlichste Gebot des traditionellen Karate, alle Angriffe Millimeter vor dem eigentlichen Ziel abzustoppen, mit – Füßen. Spannender als das Karate-Do ist diese neueste Spielart und, wenn man so will, Sportart sicherlich …«
Anfangs war ich mit meinen 57 kg ein Federgewicht. Später wechselte ich dann in die Sechzig-Kilo-Gewichtsklasse, das sogenannte Leichtgewicht, denn es war für mich immer schwierig, das Gewicht unter 60 kg zu bekommen. Ich war eben ein Süßmaul und wollte ungern auf meine Kaffee-Kuchen-Zeit am Nachmittag verzichten. Vor den Kämpfen musste ich deswegen meistens vier bis sechs Kilo abnehmen, um in meiner Gewichtsklasse zu bleiben. Als ich noch im Semikontakt kämpfte, gab es Turniere, bei denen man gegen die Sieger der nächsthöheren Gewichtsklassen kämpfen musste, wenn man in der eigenen gesiegt hatte. Ich habe oft gewonnen.
Ich kann mich noch an einen Kampf bei einem Turnier der US-Army in Berlin erinnern. Da musste ich gegen einen in der Schwergewichtklasse antreten, der hatte 118 kg. Ich sah aus wie ein Embryo gegen diesen Riesen. David gegen Goliath! Und so war es auch. Ich habe doch tatsächlich gegen ihn gewonnen. Das ging aber nur, weil wir im Semikontakt kämpften, und ich durch meine Wendigkeit und Beweglichkeit schneller punkten konnte als er. Das ist dann halt der Vorteil beim Semikontakt, dass nach jedem Treffer unterbrochen wird. Irgendwann wurde mein Riesengegner so sauer, dass er mich mit voller Wucht getreten hat. Zum Glück traf er mich nur am Arm. Aber ich fiel trotzdem um und stellte mich bewusstlos. Alle erschraken und dachten: Der steht so schnell nicht wieder auf. Es war wirklich totenstill in der Halle, alle hielten den Atem an. Und dann sprang ich auf, tänzelte um meinen Gegner herum, nur zum Faxenmachen. Mann, die ganze Halle hat gegrölt vor Lachen! Lustigerweise musste mein Gegner dann auch lachen. Und dann habe ich gewonnen, als erster Deutscher bei den Amerikanern. Zum Schluss trug mich mein doppelt so schwerer und zwei Köpfe größerer Gegner sogar quer durch die Halle!
Beim Vollkontakt gibt es Siege nach Punkten oder nach K.o., wie
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