Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
es vom Boxen allgemein bekannt ist. Man kämpft bis zu drei Runden à zwei Minuten. Es ist verboten, gegen das Genick, den Kehlkopf, den Unterleib, den Rücken oder die Gelenke zu schlagen oder zu treten. Knie-, Ellbogen- oder Kopfstöße sind ein absolutes Tabu beim Kickboxen. Finde ich persönlich auch irgendwie zu brutal. Es gibt ungefähr zehn verschiedene Fußtechniken, also Trittarten mit Bein und Fuß: Kante, Ferse, Seite, nach hinten, und Variationen davon. Es ist natürlich immer von Vorteil, wenn man sehr gelenkig ist beim Kickboxen. Es kostet dann weniger Kraft, zum Beispiel das Bein zum Kopf des Gegners zu führen, und meist ist man dann auch schneller mit den Beinen als ein ungelenkiger Kämpfer. Als Handtechniken kennen wir Fauststöße mit der vorderen und hinteren Hand, Haken und Faustrückenschläge. Handkanten sind im Kampf verboten. Kickboxen ist relativ stark reglementiert und Verstöße werden mit Ermahnungen, Punktabzug oder Disqualifikationen hart geahndet.
Mir haben Akrobatik, Disziplin, Ästhetik und Härte meiner Sportart immer gefallen. Doch leider hat sie teilweise ein schlechtes Image. Leute, die für jeden Boxkampf im Fernsehen nachts lang aufbleiben, rümpfen bei Kickboxen die Nase. Als ob es brutaler wäre. Das stimmt einfach nicht, es ist in gewisser Weise sogar etwas anspruchsvoller. Man sagt ja, dass Boxen allein bereits eine Kunst für sich ist. Wenn man dann noch die Füße genauso gut zum Kämpfen einsetzen kann wie die Arme, sieht ein Kickboxkampf richtig geil aus. Natürlich meine ich nicht zwei dicke Fleischberge, die aufeinanderprallen und die Beine nicht höher als bis zur Hüfte heben können. Es muss eben akrobatisch und elegant aussehen.
Ich durfte also bereits mit 15 Jahren im Fullcontact kämpfen. Das war schon eine kleine Sensation, weil es früher keine Jugend oder Junioren in dieser Kampfsportart gab. Also blieb mir quasi nichts anderes übrig, als in der Seniorenklasse mitzukämpfen. Aber ich war schon in diesem jungen Alter recht gut und hatte daher auch kaum Probleme, bei den Senioren mitzumischen.
1977 hatte ich meinen ersten Kampf im Vollkontakt. Als 15-jähriger Piepel musste ich schon gegen einen erwachsenen Mann kämpfen. Und gewonnen habe ich auch noch. Das war irgendwie cool, aber auf der anderen Seite auch irgendwie unangenehm, einen Erwachsenen zu »verhauen«. Den zweiten Kampf verlor ich gegen den späteren Weltmeister Ali Phelivan in Wolfsburg.
1978 wurde ich zum ersten Mal Deutscher Meister und konnte dadurch bei den allerersten Weltmeisterschaften unseres Verbandes (der WAKO) in der Berliner Deutschlandhalle teilnehmen. Hier erreichte ich immerhin schon den achten Platz – mit 16 und bei den Senioren.
Zu meinem ersten wirklich großen Turnier im Ausland flog ich 1979, nach Florida. Da ging es auch um einen Weltmeisterschaftstitel. Es war ein echtes Abenteuer. Ich war 17 und zum ersten Mal allein so weit weg von zu Hause. Weder meine Eltern noch mein Trainer waren dabei, nur ich und mein Team. Und die waren alle viel älter und erfahrener als ich, was ich auch gleich zu spüren bekam.
Da das Turnier nur zwei Tage dauerte, hatten wir noch acht Tage Zeit für Sightseeing. Einen Tag fuhren wir ins Disney World bei Orlando. Plötzlich meinten meine Sportkumpels zu mir: »Geh mal da rüber zu den schicken Mädels und sag: Kiss me, quick!« Ich bin dann also rüber zu den Mädels, völlig ahnungslos über die Bedeutung der drei Worte. Englisch war mir in der Schule immer zu langweilig gewesen, da hatte ich kaum aufgepasst. Mann, haben die gelacht! – Kiss me, quick … Wie peinlich!
Das war mir eine Lehre. Ich wollte mitreden können. Sobald ich Zeit hatte, nahm ich an einem mehrwöchigen Intensivkurs teil, fünf Stunden täglich.
Witzig war auch unsere Ankunft im Hotel in Tampa. Wir wollten gerade in unsere Zimmer, als plötzlich überall Gespenster durch die Flure liefen. Ich dachte: Was ist denn hier los? Lauter Verrückte! Es war Halloween, das kannten wir noch nicht. Ich fand es irre lustig, aber ich konnte nicht mitfeiern, denn am nächsten Tag war mein großes Turnier.
Gefeiert habe ich überhaupt eher selten. Es gibt Boxer, die gern mit ihren Zuschauern und Fans feiern. Das ist ja eine ganz spezielle Mischung, die da direkt am Ring sitzt. Manchmal hatte ich den Eindruck, als hätte sich die gesamte High Society der Unterwelt dort versammelt. Mich haben diese Leute nie so wirklich interessiert. Oft waren da auch Alkohol und Drogen im
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