Der böse Geist vom Waisenhaus
schnurstracks zu dem Tännchen gestiefelt. Dort...“
„Ich kenne das Gesträuch. Das
Tännchen ist das einzige gute Versteck.“
„Wieso kennen Sie das
Gesträuch?“
„Während ich heute nachmittag
wartete auf Polizei und Krankenwagen, mußte ich mal in die Büsche. Eine Folge
des Unfallschocks. Zwangsläufig habe ich mich umgesehen dabei.“
„Auch gesucht?“
„Ich habe nichts gesucht. Ich
mußte mal.“
„Auch das ist eine gute
Erklärung. Doch irgendwie kriege ich mein Mißtrauen nicht weg. Ich stelle mir
das anders vor, was sich hier abgespielt hat. Nämlich so: Sie verstecken das
Geld. Aber jemand beobachtet Sie. Jetzt wollen Sie die Beute abholen, doch der
andere war früher da.“
Himmel! dachte Tim. Wie paßt
das zu dem schwarzen Audi? Meine erste Theorie stimmt nun nicht mehr. Oder?
„Ist einfach nicht wahr“, sagte
Schengmann.
Sein Protest klang so
temperamentvoll und nachdrücklich wie die Wetternachrichten.
„Ist wohl wahr“, sagte Tim.
„Doch mir gebricht’s an Beweisen. Wann haben Sie Ihre Frau das letzte Mal
gesehen?“
„Was?“
Tim wiederholte die Frage.
„Wieso interessiert dich das?
Es ist Wochen her, viele Wochen.“
„Ich sag’ Ihnen was, Meister.
Ihre Frau war gestern da. Und sie wurde niedergeschlagen von Ihnen. Also stimmt
es, was Anna am Telefon sagte. Denn für die Anwesenheit Ihrer Frau habe ich
einen Beweis. Hier!“
Er holte das
monogramm-bestickte Taschentuch hervor und hielt es ins Licht.
Schengmann räusperte sich.
„Woher... hast du das?“
„Gehört’s Ihrer Frau?“
„Schon möglich. Äh... ja. Woher
hast du’s?“
„Es lag unter Ihrem
Schreibtisch. Entsinnen Sie sich, wie ich mich bückte, um mein Schuhband zu
knoten.“
Tim schwindelte schamlos, war
aber sicher, daß Schengmann keine Erinnerung hatte.
„Dabei“, fuhr der
TKKG-Häuptling fort, „sah ich’s. Dachte aber, es gehöre meiner Freundin. Erst
draußen — als ich es ihr geben wollte — entdeckten wir das Monogramm E.S.! Also
noch mal: Was hat sich abgespielt gestern nachmittag?“
Schengmann wischte sich übers
Gesicht. Er hatte noch das Pflaster auf der Stirn, halb verdeckt von der Mütze.
Wieder räusperte er sich,
offenbar ein Anzeichen von Verlegenheit, nicht von Heiserkeit.
„Du bist wie ein Bullterrier,
wie? In was du dich verbissen hast, das läßt du nicht los.“
„Ich nehme das als Kompliment,
Verehrtester. Bullterrier sind nämlich hochedle und prachtvolle Hunde. Nur
einige wenige, abgerichtet auf Blutrünstigkeit von verantwortungslosen
Mistkerlen, bringen die ganze Rasse in Verruf. Ja, ich lasse nicht los. Also?“
„Gut. Meine Frau war da.“
Schengmann seufzte.
„Und?“
„Es gab Streit.“
„Sie haben zugeschlagen.“
„Aber nicht sehr hart.“
„Ihre Frau fiel um.“
„Sie stolperte und fiel dann
sehr unglücklich. Schlug auf mit dem Kopf. Sie war benommen und blieb einen
Moment liegen.“
„Und das alles vor den Augen
des Kindes.“
Schengmann schwieg.
„Der Vater schlägt die Mutter“,
sagte Tim, „und das vieijährige Mädchen sieht zu. Können Sie sich nicht
vorstellen, was das auslöst in einem Kind? Angst, Schrecken, Entsetzen. Anna
hat geglaubt, die Mamma sei tot. Wo ist Ihre Frau jetzt?“
„Keine Ahnung. Als ich mich um
Anna kümmerte, ist Edith zu sich gekommen und war auch schon weg. Ich sagte
euch doch: Sie hat mich verlassen. Natürlich ist sie wieder zurück zu diesem
Wolpert und...“
„Wie heißt er?“
„Was?“
„Ich verstand eben Wolpert.
Also wissen Sie, wie der Mann heißt, bei dem Ihre Frau jetzt lebt.“
Wieder das Räuspern.
„Ich weiß es erst seit gestern.
Nachdem ihr weg wart. Er rief an und beschimpfte mich. Weil ich Edith eine
geschmiert habe. Himmel! Diese Frau macht mich lächerlich. Ich sah rot, als sie
reinkam.“
„Er heißt also Wolpert. Und die
Adresse?“
„Ich weiß es wirklich nicht.
Als Dieter Wolpert hat er sich vorgestellt und mir klargemacht, daß Edith
niemals mehr zurückkomme. Aber sie will Anna haben. Das will sie natürlich. Und
die beiden wissen genau, daß ihre Chancen schlecht stehen. Schließlich hat sie
mich verlassen. Ich bin nicht gegangen.“
„Wahrscheinlich haben Sie Ihre
Frau aus dem Haus getrieben.“
„Wieso?“
„War es das erste Mal, daß Sie
geschlagen wurde von Ihnen? Bestimmt nicht. Wer in der Ehe, in der Familie
seine Fäuste benutzt, um Streit auszutragen — der ist nicht nur unfähig als
Ehemann und als Vater, der ist mehr noch eine
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