Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
Vom Netzwerk:
des Bundespräsidenten deutlich, als
die Zeitung titelt: „So deckte Bild die Wulff-Affäre auf."
    Den Rollenwechsel Wulff gegenüber vollzieht Bilddabei ausgesprochen geschickt: Die Studie von Arlt und Storz arbeitet anhand der
Berichterstattung in der Bild-Zeitung über die Wulff-Affäre sehr deutlich heraus, wie Bild sich nach dem ersten Artikel über die Hausfinan zierung schnell in die Rolle eines Beobachters begibt und zunächst so
über das Thema berichtet, „als habe sie mit der Angelegenheit gar nicht
viel zu tun, müsse eben darüber berichten, manchmal gar widerwillig".
So verweist Bild gerne auf die Berichterstattung in anderen Medien
und auf deren Kommentare und erweckt somit den Eindruck, als
verfolge sie die Krise des Präsidenten nur aus der Distanz. Tatsächlich
aber hält Bild doch alle Trümpfe in der Hand, ohne dass dies der
Öffentlichkeit bewusst wäre. Am 15. Dezember 2011 heißt es in einem
Bild-Kommentar: „Noch liegt der Ausgang der Affäre weitgehend
beim Bundespräsidenten selbst. Aber - auch das lehrt die Erfahrung
- nicht mehr lange." Zwei Wochen später findet die Nachricht, die der
Bundespräsident auf der Mailbox von Bild-Chef Diekmann hinterlassen hat, ihren Weg in die Öffentlichkeit.

    Auch hierbei gelingt es Bild in meisterhafter Weise, Regie zu führen
und dennoch als unbeteiligt zu erscheinen. Um sich selbst nicht die
Hände schmutzig zu machen, sorgt Bild dafür, dass die Mailbox-Geschichte und Teile der Nachricht den Weg in die Medien finden und
damit die Krise eine neue Qualität erreicht. Der Bundespräsident erscheint wie jemand, der die Pressefreiheit mit Füßen tritt, während
Bild zum Gralshüter derselben avanciert. Die seriösen, journalistisch
arbeitenden Medien, die Bild sonst mit Geringschätzung betrachten,
stehen schlagartig Seit an Seit mit dem Boulevardblatt, dem Unrecht
widerfahren ist. „Bild hat früh verstanden, dass eine Front Diekmann
gegen Wulff gefährlich ist für das eigene Haus", meint der Medienwissenschaftler Pörksen. „Man hat andere Medien wie die Süddeutsche
Zeitung und die Frankfurter Allgemeine quasi in Außenredaktionen
verwandelt." Bild gelingt es sogar, Wulff noch einmal schlecht aussehen zu lassen, indem sie ihn auf dem Höhepunkt der Aufregung über
die Nachricht um Erlaubnis bittet, diese nun doch veröffentlichen zu
dürfen. Bild steuert das Geschehen und sorgt mit der Mailbox-Nachricht ein erstes Mal für die Fortsetzung der Krise, als diese zu versanden
droht. Ein zweites Mal befeuert Bild die Krise mit einem zweifellos
substanziellen Vorwurf neu: mit der Berichterstattung über den Sylt
Urlaub der Wulffs und des Filmunternehmers David Groenewold schlägt Bild ein neues Kapitel auf, das einmal mehr die Recherchequalitäten der Zeitung unter Beweis stellt. Dass die Geschichte bereits
Tage vorher vom NDR thematisiert wurde, spielt für Bild keine Rolle.
Sie beweist vielmehr, dass sie die Kunst der Skandalisierung eben besser versteht: Die Geschichte über den Urlaubsaufenthalt ist garniert
mit der pikanten Zusatzinformation, dass David Groenewold versucht
habe, den Hotelangestellten einen Maulkorb zu verpassen. Bei der
Gestaltung der Krisendramaturgie macht Bild keiner etwas vor.

    Das Ziel von Bild ist dabei gar nicht zwingend der Rücktritt des
Bundespräsidenten. Wie die Geschichte ausgeht, ist Bild möglicherweise sogar gleichgültig. Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt stellen
in ihrer Studie fest: „Bild lebt von der Aufregung und der Aufmerksamkeit für das Ereignis. Wenn die Aufregung groß genug und Bild
auf der Bühne gut genug war, dann gibt es für Bild immer ein Happy
End, die Sache selbst kann ausgehen, wie sie will." Bild „spielt" mit
Wulff wie eine Katze mit einer Maus, das Töten steht gar nicht im
Vordergrund. Je länger die Krise des Präsidenten dauert, desto besser
für Bild. Ökonomisch macht es für Bild ohnehin mehr Sinn, dass
Wulff möglichst lange Schlagzeilen macht, denn die Präsidentenkrise
verkauft sich bestens und sei es nur für das Image von Bild. Dementsprechend dauert die Bild-Kampagne auch über den Rücktritt von
Wulff hinaus: Mit Hohn und Spott verfolgt Bild, wie Wulff Thema
im Karneval ist, und befeuert die Diskussion um Ehrensold und Zapfenstreich. Storz und Arlt sehen Bild nach dem Rücktritt im „Jagdmodus". Auch Monate später noch unterfüttert die Zeitung das Bild vom
habgierigen, bösen Wulff: So titelt die Zeitung im August 2012, dass

Weitere Kostenlose Bücher