Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
Vom Netzwerk:

Wulff 18.000 Euro mehr Ehrensold bekomme. Dass dies auf eine
Erhöhung der Kanzlerbezüge zurückgeht, die dazu führt, dass auch
der amtierende Bundespräsident mehr Gehalt bekommt und mit ihm
alle ehemaligen Bundespräsidenten einen höheren Ehrensold, erfährt
der Bild-Leser dabei nur am Rande. Bild hat auch kein Problem damit,
während der Krise gleichzeitig den Bundespräsidenten zu demontieren
und seine Frau Bettina zu feiern. Während ein Bild-Reporter auf der
letzten Reise des Präsidentenpaares nach Italien am Bundespräsidenten wie an einem Schuljungen Maß nimmt, setzt er gleichzeitig „Bella
Bettina" in Szene, die Italien „begeistert".

    Generell hat der Skandal um den Bundespräsidenten für die Medien auch einen ökonomischen Hintergrund. Die Fortschreibung der
Krise lohnt sich. Die Präsidentenkrise verkauft sich wie „geschnitten
Brot", sie beschert den Talkshows traumhafte Einschaltquoten und den
Nachrichtenportalen im Internet gigantische Klickzahlen. Besonders
konsequent setzt ARD-Talker Günther Jauch auf das Thema, was auch
damit zu tun haben dürfte, dass sich die Sendungen zu Wulff als Quotenhit erweisen. Auch als Wulff bereits zurückgetreten ist, muss es noch
einmal herhalten. Letztlich surfen alle politischen Talkshows auf der
Krisenwelle, die ihnen Hunderttausende Zuschauer mehr beschert als
sonst. So stellt das Medienportal dwdl.de im Mai 2012 zum Quotenzuwachs der Talkshows fest: „Geholfen haben dabei ganz sicher die
zahlreichen Diskussionsrunden über den ehemaligen Bundespräsidenten
Christian Wulff." Gleichzeitig nutzen die Nachrichtensendungen im
Fernsehen die Präsidentenkrise, um ihre Online-Portale zu bewerben.
    Generell gehen die Klickzahlen aller Nachrichtenseiten im Internet
durch die Decke: „Nachrichten-Portale starten fulminant ins neue
Jahr", meldet dwdl.de im Februar 2012. Spiegel Online kommt demnach im Januar 2012 auf 15 Prozent mehr Besucher als im Monat
zuvor und auf 29,6 Prozent mehr als im Januar 2011. Focus Online
erlebt eine Steigerung von 27,6 und 53,6 Prozent, Bild.devon 17,3 und
27,3 Prozent und n-tv.de von 12,6 und 34,5 Prozent. Die Steigerungsraten mögen nicht nur auf die Präsidentenkrise zurückzuführen sein,
da sie aber das alles beherrschende Thema im Januar 2012 ist, ist der
Zusammenhang naheliegend. Auffällig ist nämlich, dass die Klickzahlen im Februar, mit dem Rücktritt des Bundespräsidenten, im Vergleich zum Vormonat Januar wieder signifikant zurückgehen.
    Der wachsende ökonomische Druck in der Medienwelt führt generell zu einer immer stärkeren Skandalisierung. „Skandale sind ein Wirtschaftsfaktor und ein letztlich profitables Geschäft, gerade in
Zeiten sinkender Auflagen und fragil gewordener Erlösmodelle", sagt
der Medienwissenschaftler Pörksen. „Sie versprechen Beachtung, die
sich am Ende des Tages wieder kapitalisieren und in Bargeld verwandeln lässt." Und auch der Skandalforscher Kepplinger stellt fest: Der
wachsende Wettbewerb zwischen den Medien ist vor allem seit den
80er-Jahren eine wesentliche Ursache der zunehmenden Skandalisierung von Missständen. Kepplinger beobachtet, dass auch seriöse Zeitungen sich diesem Drang nicht entziehen: „Inzwischen haben viele
gelernt, dass der Spiegel sein Ansehen im Journalismus - aber nicht
nur dort - seiner Skandalisierungsfähigkeit verdankt, und dass die
Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrem Feuilleton seit einigen Jahren
erfolgreich den gleichen Weg geht."

    Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass die Bevölkerung, das Publikum, dem Drang zur Skandalisierung misstrauisch gegenübersteht.
Dies zeigt sich sehr deutlich auch in der Krise um Christian Wulff: So
wird die von den Medien vertretene Überzeugung, dass Wulff zurücktreten müsse, von einem großen Teil der Bevölkerung wochenlang nicht
geteilt. Die Schere zwischen der Kommentarlinie und der in der Bevölkerung laut Umfragen vorherrschenden Meinung ist signifikant. Zwar
verweisen die Medien während der Krise darauf, dass „nur noch" die
Hälfte der Bevölkerung meint, Wulff könne im Amt bleiben, tatsächlich müsste es angesichts der geschlossenen medialen Front aber eigentlich heißen: „immer noch" die Hälfte. „Es gab eine lagerübergreifende
Front in den Medien, dass Wulff zurücktreten muss", bilanziert Bernhard Pörksen. „Aber das Publikum ist nicht mitgegangen oder hat
lange gezögert. Auffällig ist in diesem Fall das Auseinanderklaffen von
Medien- und

Weitere Kostenlose Bücher