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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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nach Israel begleitet hat.
    Gedenken für die NSU-Opfer

    m November 2011 wird bekannt, dass eine rechtsextremistische
Mörderbande jahrelang ungestört und ungesühnt durch Deutschland gezogen ist. Auf das Konto dieser rechten Terrorzelle geht eine
Mordserie in den Jahren 2000 bis 2006: Acht der neun Opfer waren
Türken oder türkischstämmige Deutsche, ein Opfer war griechischer
Abstammung. Über Jahre wurde in die falsche Richtung ermittelt, die
Täter im Bereich der türkischen organisierten Kriminalität gesucht,
zum Teil wurden die Angehörigen der Opfer selbst verdächtigt. Die Mordserie und das Ausmaß des rechtsextremistischen Terrors schockieren, dabei zeichnet sich ab, dass es bei Polizei und Verfassungsschutz dramatische Ermittlungspannen gegeben hat. Die Politik entscheidet sich, der Opfer mit einer gemeinsamen Trauerfeier von Bundespräsident, Bundestag und Bundesregierung zu gedenken. Der
Entschluss fällt zwar noch im November, doch die Suche nach einem
Termin dauert bis in den Dezember, und von vornherein ist klar, dass
die Gedenkfeier einige Wochen auf sich warten lassen wird. Man einigt sich schließlich auf den 23. Februar 2012. Dem Bundespräsidenten dauert das zu lange. Im Bellevue will man nicht bis zur offiziellen
Gedenkfeier warten, sondern vorher schon ein Zeichen setzen. Noch
im November entschließt sich Wulff, die Familien der Opfer ins
Schloss Bellevue einzuladen. Die Idee stößt zunächst auf Zurückhaltung: Die türkischen Verbände wenden ein, dass ein Besuch bei den
Opferfamilien eher den Sitten und Gebräuchen entsprechen würde,
als sie ins Bellevue zu bitten. Am Ende setzt sich der Vorschlag dennoch durch: Die Familien der Opfer werden ins Bellevue eingeladen.
Gleichzeitig wird vereinbart, dass die Veranstaltung unter Ausschluss
der Öffentlichkeit stattfinden soll.

    Es gelingt dem Bellevue, den genauen Zeitpunkt der Veranstaltung
bis zum Schluss geheim zu halten und so sicherzustellen, dass keine
Medien vor Ort sind. Am Abend des 23. November treffen Angehörige aller neun Opfer der Mordserie unbeobachtet im Bellevue ein. Sie
werden vom Bundespräsidenten und führenden Vertretern der Politik
erwartet wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie allen Fraktionschefs
der im Bundestag vertretenen Parteien. Die Tische sind festlich eingedeckt und an jedem Tisch sitzt ein Politiker als Ansprechpartner für
die Angehörigen. Die Grüne Renate Künast ist eine von ihnen: „Ich
fand das eine sehr gute Idee, nicht bis zu einem Festakt zu warten",
erinnert sie sich im Oktober 2012. Den Abend schildert sie als sehr
ergreifend, die Gespräche mit den Opferfamilien hätten sie sehr berührt. „Ich selbst habe an dem Abend erst richtig begriffen, wie sehr
das Leiden dieser Familien weitergeht. Das haben wir alle unterschätzt." Der Bundespräsident sitzt mit den Angehörigen der Mordopfer in
Kassel und Wiesbaden an einem Tisch. Wulff hält im Laufe des
Abends eine kleine Ansprache, in der er einräumt: „Wir haben alle
versagt." Die Opferfamilien hätten nicht nur den Verlust erlitten, sondern seien auch kriminalisiert worden. Während der Ansprache versagt
ihm die Stimme.

    Anfang Februar 2012, als die Planungen für die nationale Gedenkfeier immer konkreter werden, hat sich die persönliche Situation des
Bundespräsidenten grundlegend verändert. Im Bellevue belastet Wulff
die Vorstellung, die Präsidentenkrise könnte die Trauerfeier überschatten. Gleichzeitig liegt ihm sehr viel daran. Zum Teil wird in den Medien gemutmaßt, er könnte die Veranstaltung nutzen, um aus den
Negativschlagzeilen herauszukommen. „Das hat ihn sehr getroffen",
erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter. Der Rücktritt am 17. Februar
beendet alle Spekulationen darüber. Als die Gedenkfeier am 23. Februar 2012 im Konzerthaus auf dem Berliner Gendarmenmarkt stattfindet, hält nicht der Bundespräsident die Rede, sondern die Kanzlerin.
Der wohl bewegendste Moment während der Veranstaltung ist, als
Ismail Yozgat spricht, dessen Sohn zu den Mordopfern gehört. Er erzählt, wie sein Sohn Halit am 6. April 2006 in Kassel erschossen wurde. „Mein Sohn starb in meinen Armen." Yozgat versäumt es nicht, sich
in seiner Ansprache auch bei Christian Wulff zu bedanken: „Wir sind
seine Gäste. Wir bewundern ihn."

     

m 16. November 2011, knapp einen Monat, bevor der erste
Bericht über die Finanzierung seines Hauses in

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