Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Botschaft des Besuchs transportieren sollen:
Annalena steht zur einen Seite ihres Vaters, Shimon Peres zur anderen.
„Ich glaube, dass jeder sehr ergriffen ist, der die Gelegenheit hat, hierher zu kommen", sagt die junge Frau nach ihrem Besuch in Yad Vashem. Jeder müsse das seinen Kindern erzählen, „damit nichts in Vergessenheit gerät".
Das Konzept der Reise geht auf. Die mitgereisten deutschen Journalisten sind sehr angetan von der Tochter des Bundespräsidenten, die
Bild-Zeitung stellt Annalena in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung über die Reise und spricht von der „First Tochter". Auch dem israelischen Präsidenten gefällt die Art und Weise, wie Wulff seinen
Besuch gestaltet. Dass Peres den Bundespräsidenten nach Yad Vashem
begleitet, ist nicht selbstverständlich. Es sei ein Besuch der besonderen
Art, meint Peres, „weil es sich um einen besonderen Präsidenten handelt". Wulff sei der erste Bundespräsident, der nach dem Zweiten Weltkrieg geboren sei. „Seine Zukunft ist größer als seine Vergangenheit." Anders als seine Vorgänger Horst Köhler und Johannes Rau spricht
Wulff nicht in der Knesset. Das hat vor allem protokollarische Gründe.
Israels Präsident Peres ist erst im Januar 2010 in Deutschland gewesen,
für die Entgegnung des Staatsbesuchs ist es noch zu früh, deshalb
kommt Wulff nicht zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Israel. Es ist
vielmehr ein Antrittsbesuch. Doch auch sonst verzichtet Wulff auf eine
große Rede, etwa an einer Universität. Er setzt erkennbar auf Nummer
sicher, ist sehr bedacht darauf, keine Fehler zu machen. Es bleibt seine
einzige Reise nach Israel, doch die Erinnerung an den Holocaust bleibt
ihm ein wichtiges Anliegen.
Zum Holocaust Gedenktag, am 27. Januar 2011, besucht der Bundespräsident Auschwitz. Wulff ist der erste Bundespräsident, der hier
eine Rede hält. „Erinnerung, Gedenken und Trauer sollen das Leben
nicht lähmen, sollen Zukunft nicht versperren, sondern gerade möglich machen. Was die Opfer erleiden mussten, ist unfassbar, unsagbar,
unbeschreiblich. Deutsche müssen dafür ewig einstehen", sagt der
Bundespräsident bei der Gedenkfeier. Dieter Graumann hört zu, während Wulff in Auschwitz spricht. Als er ihm im November den LeoBaeck-Preis verleiht, beschreibt er seine Gefühle an jenem Tag. „Bei
all dem heftigen Schmerz, der mich dort förmlich überflutete, war es
für mich auch ein ganz besonderes Gefühl, wenn der,erste Mann' im
Deutschland von heute ausdrücklich dort gemeinsam trauert mit der
wiederum ganz neuen jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, gerade in Auschwitz."
Wulff hat die Verleihung des Leo-Baeck-Preises als große Ehre empfunden. Allerdings gibt es im Juni 2012, einige Monate nach dem
Rücktritt des Bundespräsidenten, ein unerfreuliches Nachspiel. Der
Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Bei Preisen dieser Art an politische
Amtsträger ist es üblich, dass diese das Preisgeld spenden, meist in
Absprache mit der Organisation, die den Preis verliehen hat. Im Juni
2012 berichtet der Spiegel, dass Wulff das Preisgeld erst sieben Monate nach der Preisverleihung an ein Krankenhaus in Israel überwiesen
habe. Zuvor habe sich die Staatsanwaltschaft bei der Sichtung der Konten über den Betrag gewundert und daraufhin beim Bundespräsidialamt Rücksprache gehalten. Tatsächlich liegt das Geld bis Juni 2012
auf dem Konto von Christian Wulff. Was immer dazu geführt haben
mag, ob Wulff im Zuge der Krise, die ihn kurz nach der Preisverleihung mit voller Wucht erwischt, einfach vergessen hat, sich um die
Angelegenheit zu kümmern, ist unklar. Der Vorfall sorgt zwar nicht
für sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien, dafür aber für Kopfschüt
teln, unter anderem im politischen Berlin, vor allem aber auch bei
denen, die Wulff auch nach seinem Rücktritt noch wohlgesonnen sind.
Der Zentralrat der Juden hält sich nach Bekanntwerden der Angelegenheit zurück. Auch im September 2012 heißt es auf Nachfrage, es
gelte das, was Dieter Graumann im November 2011 bei der Preisverleihung gesagt habe.
Was macht eigentlich ...?
as Amt des Bundespräsidenten ist wunderschön, aber doch
auch ziemlich kompliziert", sagt Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden, als er Christian Wulff den
Leo-Baeck-Preis verleiht. Es sei ein Amt mit eingebauter Enttäuschungs-Automatik. „Der Bundespräsident soll eine Art Ersatz-Kaiser
sein, aber die Politik doch besser nicht weiter groß
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