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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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stören. Er soll Dirigent in großer Pose sein, aber den Ton und die Musik sollen und
wollen doch andere vorgeben. Äußert er sich, heißt es rasch, das sei
doch gar nicht seine Sache. Äußert er sich aber nicht, wird wiederum
schnell gestichelt: Lebt er überhaupt noch?" Graumann beschreibt
damit ziemlich genau die Erfahrung, die so ziemlich alle Bundespräsidenten im Laufe ihrer Amtszeit machen. Christian Wulff macht sie
in der ersten Hälfte des Jahres 2011.
    Irgendwann zu Beginn des Jahres verliert Christian Wulff den
Schwung aus den Monaten zuvor. Auch wenn der Start ins Amt holprig gewesen ist, kann sich die Bilanz am Ende des Jahres 2010 sehen lassen. Die Monate Oktober bis Dezember sind von zahlreichen öffentlichen Auftritten geprägt, vor allem von den Reisen in die Türkei
und nach Israel, und von der Debatte, die seine Rede zum 3. Oktober
auslöst. Mit dem Beginn des Jahres 2011 schaltet Wulff mindestens
einen Gang zurück. Manches bedingt einander: Zu Beginn seiner
Amtszeit, vor allem aufgrund der besonderen Umstände durch den
Rücktritt Köhlers, ist das Interesse an dem neuen Bundespräsidenten
und allem, was er macht und sagt, besonders hoch. Ende 2010 hat
Wulff den Nachweis erbracht, dem Amt gewachsen zu sein, für viele
zumindest. Nachdem sich die Medienlandschaft fast unisono im Vorfeld der Präsidentschaftswahl für Gauck ausgesprochen hat, beurteilen die Medien Wulff am Ende des Jahres überwiegend positiv. Vor
allem mit seinem Eintreten für die Muslime in Deutschland kann der
neue Bundespräsident punkten. Neben den Medien macht auch der
politische Gegner von früher seinen Frieden mit Wulff. SPD, Grüne
und selbst die Linke arrangieren sich mit dem Staatsoberhaupt,
schließlich setzt es auf Themen und vertritt Positionen, die auch die
ihren sind. Wulff schafft es, ein solides Fundament für seine Präsidentschaft zu legen, auf dem er nun aufbauen könnte. Doch der Bau
will nicht vorankommen.

    Christian Wulff verliert sich in den ersten Monaten des Jahres 2011
im Alltagsgeschäft der Pflicht und vernachlässigt dabei die Kür. Der
Terminkalender ist prall gefüllt mit dem, was ein Bundespräsident so
machen kann, das meiste davon spielt sich allerdings unterhalb der
öffentlichen Wahrnehmungsschwelle ab. Wulff erscheint mit dem, was
er macht, nicht mehr auf dem Radar der überregionalen Medien und
damit auch nicht der Öffentlichkeit. Er findet zunehmend Gefallen
an den repräsentativen Aufgaben des Amtes, macht Antrittsbesuche
in den Bundesländern, alles Dinge, die wichtig sind und zweifellos zu
seinen Aufgaben gehören, die aber nur die interessieren, die selbst
daran teilnehmen. Wulff lässt dabei nicht nach in seinem Arbeitseifer,
im Gegenteil: Die Klagen im Bundespräsidialamt über die Flut von
Terminen, die der Bundespräsident wahrnimmt, werden eher lauter.
Die Termindichte nach einem Jahr im Amt, im Juni 2011, ist durchaus beeindruckend: Rund 400 Termine absolviert Christian Wulff bis dahin, gibt 25 Empfänge und 30 Essen im Bellevue, begibt sich auf 26
Auslandsreisen und macht seinen Antrittsbesuch in 15 Bundesländern.
Der Apparat ächzt und stöhnt, während die Medien beginnen, die
Frage zu stellen: „Was macht eigentlich der Bundespräsident?"

    „Still ruht das Schloss" - so ist Mitte April 2011 ein Artikel im
Spiegel überschrieben, der den Auftakt bildet für eine zunehmend
kritische Auseinandersetzung mit der nach Einschätzung der Medien
mangelnden Präsenz des Bundespräsidenten. Mit einigem Unterhaltungswert, aber auch unübersehbarer Geringschätzung beschreibt der
Spiegel den präsidialen Alltag und wie Wulff sich darin eingerichtet
habe: Dass er nach neun Monaten im Amt immer noch schwanger
gehe mit der Frage, was er mit dem Amt eigentlich wolle. Präsidentensprecher Glaeseker bemüht sich in den darauffolgenden Tagen und
Wochen in Einzelgesprächen mit Journalisten, das Bild zu korrigieren. Der Artikel sei weniger Kritik als vielmehr eine Aufforderung an
Wulff, dem man ja eigentlich mehr zutraue, interpretiert Glaeseker
in diesen Gesprächen den Spott des Spiegel. Dabei arbeitet er sich
intern selbst an seinem Chef ab. Glaeseker drängt Wulff zu mehr
Präsenz in der Öffentlichkeit, vor allem dazu, Interviews zu geben.
„Der Bundespräsident ging allen Interviewanfragen aus dem Weg",
erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter des Präsidenten. „Er fand
immer einen Grund dagegen." Was bremst den Präsidenten, der

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