Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
Vom Netzwerk:
doch
selbstbewusst aufbauen könnte auf dem Fundament, das er bis Ende
2010 geschaffen hat?
    Christian Wulff sorgt sich ständig, wie das, was er sagen will, verstanden oder missverstanden werden könnte. Interviews, so fürchtet
er, könnten am Ende auf Kernaussagen reduziert werden, die er so gar
nicht gemeint hat. Da Wulff das vermeiden will, gibt er monatelang
lieber gar keine Interviews. Hinzu kommt die Sorge, man könne ihm
eine Einmischung in die Tagespolitik vorwerfen, aus der der Bundes präsident sich traditionell heraushalten soll. Eine wichtige Rolle spielt
dabei die Tatsache, dass 2011 ein Superwahljahr ist. Mit sieben Landtagswahlen erlebt das Land eine Aneinanderreihung von Urnengängen
in seltener Dichte: Hamburg wählt am 20. Februar, Sachsen-Anhalt
am 20. März, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nur eine Woche später, Bremen am 22. Mai, Mecklenburg-Vorpommern am 4.
September und schließlich Berlin am 18. September. Dabei sind die
Aussichten für CDU und FDP vor allem nach dem Wendemanöver
der Kanzlerin Mitte März in der Energiepolitik mit ihrem hastig vorangetriebenen Atomausstieg alles andere als rosig.

    Als besonders schmerzhaft erweist sich das Ergebnis in BadenWürttemberg, wo die CDU seit 1953 ununterbrochen den Ministerpräsidenten stellt und nun die Staatskanzlei für den ersten grünen
Regierungschef räumen muss. Dabei werden die Landtagswahlen
maßgeblich vom bundespolitischen Umfeld beeinflusst. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima infolge des schweren Erdbebens in
Japan am 11. März vollzieht Angela Merkel eine atemberaubende
Kehrtwende in der Energiepolitik, die an Mut und Risikobereitschaft
so ziemlich alles in den Schatten stellt, was die Kanzlerin bisher aufgeboten hat. Merkel, der immer vorgeworfen wird, den Dingen so
lange wie möglich ihren Lauf zu lassen und Entscheidungen auszusitzen, setzt plötzlich alles auf eine Karte.
    Die Kanzlerin verfolgt die Ereignisse in Fukushima an diesem 11.
März während eines EU-Gipfels in Brüssel im Fernsehen und beschließt, sich in puncto Atomenergie neu zu erfinden. Bereits am 14.
März verkündet sie ein Atommoratorium, das zu einer sofortigen vorläufigen Stilllegung der ältesten Atommeiler in Deutschland führt.
Außerdem werden alle Atomkraftwerke einer grundlegenden Sicherheitsüberprüfung unterzogen. All das nur ein halbes Jahr, nachdem die
schwarz-gelbe Koalition den rot grünen Atomausstieg mit einer Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke rückgängig gemacht hat.
Im politischen Betrieb der Hauptstadt traut man seinen Ohren nicht.
Bei Union und FDP brennt daraufhin die Luft. Merkels Kehrtwende
stößt bei weiten Teilen der Partei, vor allem in der CDU/CSU-Bundes tagsfraktion, aber auch beim Koalitionspartner FDP auf Skepsis und
Widerstand. Die Medien sehen darin vor allem ein wahltaktisches Manöver. Die Kanzlerin hingegen argumentiert, dass seit Fukushima
nichts mehr sei, wie es vorher war, und man „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen" könne. Die Glaubwürdigkeitslücke dieser Argumentation ist schnell gefunden: Was ein Erdbeben in Japan mit der
Sicherheit von Atomkraftwerken in einem weitgehend erdbebenfreien
Land zu tun haben soll, vermag die Kanzlerin nicht zu erklären. Im
Kanzleramt ist man aber überzeugt davon, dass Fukushima ein einschneidendes Ereignis von derart großer Bedeutung ist, dass mit Atomkraft in Deutschland keine Wahlen mehr zu gewinnen sind. Merkel
will SPD und Grünen das zentrale Wahlkampfthema für die nächste
Bundestagswahl wegnehmen.

    Bereits am Tag nach Verkündigung des Atommoratoriums meldet
sich Bundestagspräsident Lammert zu Wort und bezweifelt öffentlich,
dass die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundestages die vorläufige Stilllegung von sieben Atommeilern im Alleingang beschließen
könne. Lammert ist in der CDU. Hans Jürgen Papier, der Ex-Präsident
des Bundesverfassungsgerichts, spricht gar von „illegalen Maßnahmen". Die Stilllegung verstoße gegen das geltende Atomgesetz und
könne nur mit einer Gesetzesänderung verfügt werden. Doch Merkel
lässt sich nicht beirren. In Windeseile treibt die Kanzlerin eine Energiewende voran: Zunächst setzt sie eine Ethikkommission „Sichere
Energieversorgung" ein, geleitet vom früheren CDU-Bundesumweltminister und UN-Klimaschutzdirektor Klaus Töpfer und dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft Matthias Kleiner, die
Ende Mai ihren Abschlussbericht

Weitere Kostenlose Bücher