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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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Inter views, die er rund um den 30. Juni gibt, eine „Aushöhlung des Parlamentarismus", die er sowohl im Zuge der Energiewende als auch beim
Kampf gegen die Eurokrise feststellt. Parlamente müssten stärker an
Entscheidungen teilhaben, fordert Wulff und stellt fest, „dass heute zu
viel in kleinen ,Entscheider`-Runden vorgegeben wird, was dann von
den Parlamenten abgesegnet werden soll". Das wiederum führe dazu,
dass es heute nicht nur Politikverdrossenheit bei den Bürgerinnen und
Bürgern gebe, sondern auch „Politikerverdrossenheit", da Politiker
verdrossen seien über ihre Rolle und ihren schwindenden Einfluss.
„Sowohl beim Euro als auch bei Fragen der Energiewende wird das
Parlament nicht als Herz der Demokratie gestärkt und empfunden.
Dort finden die großen Debatten nicht mit ergebnisoffenem Ausgang
statt, sondern es wird unter einigen wenigen etwas vereinbart und
durch Kommissionen neben dem Parlament vorentschieden."

    Im Kern ist es eine kritische Auseinandersetzung mit Angela Merkels Politikstil. Gleichzeitig lobt Wulff die Grünen für ihre Debattenkultur: Dass sie zur Frage der Energiewende einen Parteitag abgehalten und dabei um ihre Position gerungen hätten, findet der Bundespräsident vorbildlich. Im Kanzleramt ärgert man sich über die
Wortmeldung des Präsidenten und empfindet sie als Nachtreten.
Schließlich kommt die Kritik aus dem Bellevue genau an dem Tag,
an dem der Bundestag über die Gesetze zur Energiewende abstimmt.
Im Umfeld der Kanzlerin heißt es kopfschüttelnd: „Was soll das und
vor allem jetzt, wo die Sache gelaufen ist?" Ein Grund für den präsidialen Tadel ist, dass Wulff mit seinen Bedenken gegen die Energiewende lange nicht durchgedrungen ist, als die Sache noch nicht gelaufen ist. Der Ärger im Bellevue beginnt schon unmittelbar zu Beginn der Energiewende. Als die Kanzlerin ihr energiepolitisches
Wendemanöver einleitet, erfährt Wulff davon aus den Medien. Am
Donnerstagabend, bevor am Tag darauf in Japan die Erde bebt, sind
Angela Merkel und ihr Mann beim Präsidentenpaar in der Dienstvilla in Berlin-Dahlem zum Abendessen. Die Welt ist noch in Ordnung, von der Eurokrise einmal abgesehen. Am Freitag, dem 11. März
2011, verfolgt Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel, wie die Nuklearkatastrophe in Fukushima ihren Lauf nimmt. Bis Samstag
ist sie in Brüssel, am Sonntag schließlich telefoniert Merkel mit Wulff.
Dass sie sich energiepolitisch neu erfinden will, verschweigt Merkel,
auch von ihren Plänen für ein Atommoratorium erwähnt die Kanzlerin nichts, obwohl sie sie am Tag darauf bekannt geben wird. Wulff
ärgert sich deshalb über die Kanzlerin. „Er hätte erwartet, dass er von
Merkel einen Hinweis bekommt", erinnert sich eine Mitarbeiterin des
Präsidialamts. „Zumal, wenn man ohnehin miteinander telefoniert."

    In diesem Sommer 2011 reitet der Bundespräsident noch eine weitere Attacke gegen die Kanzlerin. Am 24. August 2011 kommen in
der Inselhalle in Lindau am Bodensee 17 Wirtschaftsnobelpreisträger
und gut 350 überwiegend junge Ökonomen aus der ganzen Welt zusammen. Der Bundespräsident ist da, um die Veranstaltung mit einer
Rede zu eröffnen. Die Gäste dürften auf eine freundliche, präsidiale
Begrüßung eingerichtet sein, es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass
Wulff etwas anderes vorhaben könnte. Doch der Bundespräsident will
ganz und gar keine launige Eröffnungsrede halten, er ist vielmehr nach
Lindau gekommen, um sich intensiv mit der Eurokrise auseinanderzusetzen. Zunächst nimmt Wulff dabei die Regierungen in Schutz,
die auf einer „unsicheren Grundlage" entscheiden und dennoch „mutig führen" müssten, da viele der Maßnahmen gegen die Eurokrise
auch in der Wissenschaft „höchst umstritten" seien.
    Was folgt, ist jedoch eine Generalabrechnung mit den Ursachen der
Krise, mit denen, die dafür verantwortlich sind, und schließlich mit
dem Krisenmanagement der Regierenden. Als die Krise ausbrach, stellt
Wulff fest, sei man 2008 dem Finanzsektor und den Banken mit dem
Geld der Steuerzahler zu Hilfe geeilt, um mit allen Mitteln den Kollaps
zu verhindern und die Weltwirtschaft zu stabilisieren. „Ich möchte
hier daran erinnern, dass das mit dem Vorsatz geschah, den Patienten
Weltwirtschaft aber auch baldmöglichst zu therapieren. Doch immer
noch ist der Bankensektor labil, sind die Staatsschulden in den größten Volkswirtschaften auf Rekordniveau und die fundamentalen Probleme
für

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