Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Glamour" ihn nun das Amt kosten könnte. Der Spiegel hält Wulff für
eine Fehlbesetzung im Bellevue. „Bislang war er kein besonders guter
Präsident, aber nun erweist er sich auch noch als der falsche." Aufhänger für den Spiegel ist, dass die Umstände des Privatkredits, wie
Egon Geerkens sie dem Spiegel in mehreren Telefonaten geschildert hat, nur den Schluss zuließen, dass das Geld in Wahrheit von ihm
stamme. Damit steht für den Spiegel fest, dass Wulff den niedersächsischen Landtag seinerzeit belogen hat. Wulff stehe damit in einer
Reihe mit Leuten wie Stefan Mappus und Karl-Theodor zu Guttenberg. „Das ist ein schwerer Schaden für sein Amt. Darum ist er der
falsche Präsident."
Bereits zwei Tage vorher, am 15. Dezember, fällt FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher sein Urteil im Feuilleton der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung: Der Kommentar mit dem Titel „Der Kredit des
Präsidenten" ist der bis dahin wohl schärfste Angriff auf Wulff in den
Medien. Wulff sei innerhalb von 24 Stunden „eine ganze moralische
Kategorienwelt abhanden gekommen". Das Ehepaar Geerkens habe
sich mit dem Privatkredit entschieden, in einen deutschen Ministerpräsidenten zu investieren. „Dass man besser in Staatsdiener als in
Staatsanleihen investiert, so lautet wohlgemerkt die Begründung der
Kreditgeber - das hinterlässt in der gegenwärtigen Lage einen so fatalen Eindruck, dass man gar nicht weiß, wie das symbolische Kapital
des Amtes diesen Angriff überstehen kann." Doch es gibt auch moderate Stimmen. So kommentiert Heribert Prantl, der Chef des Innenressorts der Süddeutschen Zeitung, am 19. Dezember: „Das Kreditverhalten Wulffs war falsch und ist falsch, aber Wulff ist deswegen kein
falscher, sondern ein fehlerhafter Präsident." Prantl sorgt sich angesichts eines drohenden zweiten Präsidentenrücktritts um das Amt. Es
wäre besser, Wulff würde sich umfassend erklären und entschuldigen,
„als dass er das Amt durch einen Rücktritt weiter beschädigt".
Neben den Details rund um den Privatkredit zur Hausfinanzierung
rücken auch die Urlaubsreisen der Wulffs schnell in den Fokus. Wulffs
Anwälte legen eine Liste mit sechs Urlauben in Wulffs Amtszeit als
Ministerpräsident vor, die er mit seiner Familie bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Kritisch wird vor allem der Aufenthalt in
Italien in der Villa des Aufsichtsratsvorsitzenden des Talanx-Versicherungskonzerns, Wolf-Dieter Baumgartl, betrachtet, der Christian und
Bettina Wulff nach ihrer Hochzeit 2008 für die Flitterwochen zu sich
eingeladen hatte. Der Talanx-Konzern hat seinen Sitz in Hannover. Auch der Urlaub, den der frisch gebackene Bundespräsident unmittelbar nach seiner Wahl im Anwesen des AWD-Gründers Carsten
Maschmeyer verbracht hat, wenn auch gegen Bezahlung, wird wieder
zum Thema. Es entsteht das Bild eines Mannes, der sich allzu viel und
gedankenlos in der Grauzone zwischen Politik und Wirtschaft bewegt
und damit zumindest moralisch angreifbar gemacht hat.
Hinzu kommt, dass man in den Archiven nicht lange suchen muss
nach Zitaten und Tondokumenten, in denen Wulff sich moralisch über
die Verfehlungen anderer erhob und Maßstäbe formulierte, denen er
im Lichte der aktuellen Vorwürfe selbst nicht zu genügen scheint, wie
seinerzeit, als Bundespräsident Rau unter Druck geriet. Auch das
Buch, das Wulff mit Hugo Müller-Vogg herausbrachte, untermalt das
Bild eines Moralapostels in Erklärungsnöten: Es trug den Titel „Besser
die Wahrheit". Es gelingt dem Bundespräsidenten nicht, aus der Defensive zu kommen. Weder die offengelegten Kreditverträge noch das
Bedauern über seine Auskunft im niedersächsischen Landtag führen
dazu, dass Druck aus dem Kessel entweicht. Täglich sind die Nachrichtensendungen und Zeitungen voll mit Berichterstattung über die
Hausfinanzierung und die mangelnde Glaubwürdigkeit des Präsidenten, über Widersprüchlichkeiten bei der Darstellung und Mängel bei
der Kommunikation. Wulff ist Aufmacher der Nachrichtensendungen
und Dauerthema auf den Titelblättern der Zeitungen. Der Präsident
droht in einer Flut negativer Kommentare zu ertrinken.
Der Sprecher geht,
der Präsident erklärt sich
m 22. Dezember 2011 versucht Wulff einen erneuten Befreiungsschlag. Gleichzeitig fordert die Krise ihr erstes personelles
Opfer: Zu ihrem großen Erstaunen entnimmt die Hauptstadtpresse einer sechszeiligen Pressemitteilung des Bundespräsidialamtes,
dass Präsidentensprecher
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