Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Medien dafür, dass die Krise Ende des Jahres nicht im Sande verläuft:
Was bis dahin im Hintergrund stattfand, unbemerkt von der Öffentlichkeit, tritt plötzlich in den Vordergrund, und zwar in dem Moment,
als es den Anschein hat, Wulff werde die Krise überstehen.
Die wundersame Verbreitung
der Mailbox-Nachricht
m 31. Dezember 2011 widmet sich die FrankfurterAllgemeine
Sonntagszeitung neuen Fragen rund um die Hausfinanzierung
der Wulffs. Fast en passant erfährt der Leser im Mittelteil des
Artikels von der Mailbox-Nachricht. Es werden einige wenige Fragmente der Nachricht zitiert, die einen Eindruck davon geben, was
Wulff Diekmann wohl mitgeteilt hat und wie. Bereits am 19. Dezember gab es in der Frankfurter Allgemeinen einen diskreten Hinweis auf
den Vorfall, der aber keine weitere Beachtung fand, da ihn zu diesem
Zeitpunkt noch niemand einzuordnen wusste. In dem Artikel im
Feuilleton der FAZ, in dem eigentlich eine Sendung von Günther
Jauch zum Thema Wulff besprochen wird, heißt es ganz beiläufig: „In
Journalistenkreisen erzählt man sich von umständlichen, gewundenen
Mailbox Ansagen bei Medienchefs, in denen der Bundespräsident bald
drohend, bald bittend noch vor Veröffentlichung interveniert." Wie
weit die Kooperation zwischen Bild und FAZ bei der Verbreitung der
Mailbox-Nachricht des Bundespräsidenten ging, bleibt unklar. Bild
schweigt sich über die genauen Abläufe aus. Am 2. Januar 2012 berichtet auch die Süddeutsche Zeitung über die Mailbox-Nachricht und
katapultiert das Thema damit nach oben. Die SZ j edenfalls legt später
Wert darauf, erst aufgrund der Berichterstattung in der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung von der Nachricht auf Kai Diekmanns
Mailbox erfahren zu haben.
Die Bild-Zeitung hat der Berliner tageszeitung auf mehrere gezielte
Nachfragen hin zunächst Mitte Januar und dann noch einmal ausführlicher Ende Januar eine umfangreiche Darstellung der Abläufe zur
Verfügung gestellt. Dabei hat Bild die Fragen der taz durch eigene
zusätzliche Fragen an sich selbst ergänzt, um so weiteren Nachfragen
zuvorzukommen. Bild verweist seitdem bei allen Anfragen rund um
die Mailbox-Geschichte auf diese Darstellung, darüber hinaus äußert
sich die Pressestelle des Springer-Verlages nicht mehr. In der Darstellung für die taz findet sich keine Erklärung dafür, wie die Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung und die Süddeutsche Zeitung in den Besitz
der Zitate aus der Mailbox-Nachricht gekommen sind. Bild erweckt
darin ausdrücklich den Eindruck, nichts damit zu tun zu haben. Es
lohnt sich aber, genau hinzusehen: So behauptet Bild, nicht mit dem
„Autor" des Artikels in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
gesprochen zu haben, was aber offenlässt, ob sie jemand anders bei der
FAZ kontaktierte.
Zur Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung erklärt Bild, es
habe einen Anruf der SZ am 1. Januar 2012 bei der Pressestelle gegeben, man habe aber keinen „offiziellen" Kommentar abgegeben, was
eine „Hintergrundinformation" nicht ausschließt. Der Unterschied ist,
dass die Süddeutsche die Bild-Zeitung bei einem offiziellen Kommentar als Quelle zitieren dürfte, bei einer Hintergrundinformation nicht.
Bild räumt außerdem ein, dass es nach der Veröffentlichung in den
beiden Zeitungen zahlreiche Anfragen von Journalisten gegeben habe,
die an der vollständigen Nachricht interessiert gewesen seien. Es sei
aber keine Abschrift „von der Pressestelle" an eine Zeitung oder Zeitschrift geschickt worden. Das schließt aber wiederum nicht aus, dass
einzelne Redakteure von Bild die Verteilung der Nachricht in die
Hand genommen oder am Telefon daraus vorgelesen haben. Bild hat
nicht ohne Grund aus eigenem Antrieb bis ins kleinste Detail geschildert, wie sie sich zu welchem Zeitpunkt wem gegenüber in der Mailbox-Geschichte verhalten hat. Es geht dabei darum, sauber aus der
Sache herauszukommen. Deswegen kann man davon ausgehen, dass
jedes Wort in der Darstellung genau gewählt ist. Am Ende muss Bild sich bei ihrer Darstellung denselben Vorwurf gefallen lassen wie Christian Wulff im Zusammenhang mit seiner Hausfinanzierung: mithilfe
von Halbwahrheiten die eigentlichen Vorgänge zu verschleiern.
Als Anfang Januar 2012 die Diskussion um die Motive, die Wulff
mit seinem Anruf verfolgt hat, in Fahrt kommt, verfügt die BildZeitung über einen klaren Vorsprung an Deutungshoheit, da ausschließlich sie im Besitz der Originalaufnahme der
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