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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Mund:
    »Tja, also, äh, das war, äh, also äh …«
    »Ich weiß, warum du Moslem geworden bist.«
    »Was? Woher? Ich meine, ich … Ich kann das erklären …«
    »Ganz einfach. Du bist Moslem geworden, weil Allah hat zu dir gesprochen.«
    »Oh. Das … das hab ich gar nicht gemerkt.«
    »Genau. Wir merken nicht. Aber Allah weiß genau.«
    »Wirklich? Tja, wenn du meinst …«
    »Ich meine nicht. Ich weiß. Aber deine Eltern, die sicher sind keine Moslems.«
    »Die … na ja, also die … äh …«
    »Keine Angst, Daniel. Jede Kultur hat eigenes Religion. Muss man immer haben Toleranz.«
    »Oh, gut. Für mich ist Toleranz auch sehr wichtig.«
    »Außer natürlich für Griechen, haha.«
    »Ja. Haha.«
    »Aber für Christe, Jude, Hinduiste, Buddhiste, ich habe immer Toleranz.«
    »Das ist toll. Und was ist mit Atheisten?«
    »Was ist das?«
    »Leute, die nicht an … eine höhere Macht glauben.«
    »Habe ich auch Toleranz.«
    »Oh. Gut.«
    »Sind nämlich geisteskrank und brauchen Behandlung.«
    »Tja.«
    »Habe ich Mitleid.«
    »Immerhin.«
    »Vielleicht muss man auch erschießen. Aber nur wenn nicht anders geht.«
    Ich bin überrascht, dass mir jemand, der indirekt den Tod meiner Eltern fordert, trotzdem sympathisch ist. Vielleicht will mein Unterbewusstsein Rache, weil mein Vater mir schon als Vierjährigem erklärt hat, dass man nach dem Tod nicht mit Engeln, sondern mit Würmern in Kontakt kommt.
    Außerdem hat Onkel Abdullah eine absolut liebenswürdige Ausstrahlung. Und dann der Nachsatz »Aber nur wenn nicht anders geht« – das bedeutet ja, dass er sich um einen renitenten Atheisten wahrscheinlich erst jahrelang liebevoll kümmern und mit Engelszungen auf ihn einreden würde, bevor er ihm eine Kugel in den Kopf jagt.
    Trotzdem kann ich mir einen kleinen Sarkasmus nicht verkneifen:
    »Das ist in der Tat sehr tolerant und demokratisch.«
    Zum Glück hat Onkel Abdullah kein Gespür für Ironie.
    »Also, deine Eltern sind Christe?«
    »Sie sind als Christen geboren.«
    Ich kann einfach nicht lügen. Aber meine Eltern sind tatsächlich erst Ende der Sechzigerjahre aus der Kirche ausgetreten. Und ich muss Onkel Abdullah ja nicht unter die Nase reiben, dass ihr Traumpaar nicht Jesus und die heilige Maria sind, sondern Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir.
    Ich biege auf die A 559 und stehe im Stau. Das lenkt Onkel Abdullahs Gedanken schnell von der jenseitigen auf die diesseitige Welt. Er schaut nervös zur Ankunftszeitanzeige des Navigationsgerätes, die aufgrund des Staus auf 18 Uhr 20 springt.
    »Daniel?«
    »Ja?«
    »Fahr Seitenstreifen.«
    »Tut mir leid, aber das geht nicht.«
    »Warum?«
    »Weil es verboten ist.«
    »Stimmt. Habe ich vergessen, dass du bist Deutscher … Also, wir tauschen Plätze.«
    Onkel Abdullah steigt aus und kommt zur Fahrertür. Ich bin perplex. Seine autoritäre Geste, die mich zum Aussteigen auffordert, duldet keinen Widerspruch. Ich werde ja bald in der Firma Chef sein – hier überlasse ich das Kommando Onkel Abdullah und gehe mit mulmigem Gefühl im Magen zum Beifahrersitz. Ich bin noch nicht mal angeschnallt, als Onkel Abdullah mit quietschenden Reifen auf den Seitenstreifen fährt und kurz darauf mit 165   km   /   h rechts am Stau vorbeibrettert – erstaunlich, denn die maximale Geschwindigkeit des Ford Ka liegt bei 159 km   /   h. Die Ankunftszeit geht ziemlich schnell auf 18 Uhr 15 zurück, und Onkel Abdullah lacht aus tiefstem Herzen:
    »Haha, werden wir sehen, ob ich verpasse Anpfiff!«
    Dieser Mann riskiert gerade unser Leben für ein paar Minuten der Begegnung Ankaragü ç ü gegen Trabzonspor. Heldentod ist etwas anderes. Aber vielleicht sieht man das auch lockerer, wenn man einen so direkten Draht zu Allah hat.
    Ich versuche, ruhig zu atmen, und bin kurz davor, tatsächlich religiös zu werden. Als ich gerade sehe, dass sich die Ankunftszeitauf 18 Uhr 09 reduziert hat, schert kurz vor uns ein BMW aus, und ich habe das Gefühl, dass ich in wenigen Sekunden die Wahrheit über das Jenseits herausfinden werde.
    Abdullah legt eine Vollbremsung hin, die meine Winterreifen in nur einer Sekunde in Sommerreifen verwandelt, und vermeidet so um wenige Zentimeter einen Frontalzusammenstoß. Als mein Ford Ka endlich steht, ist Onkel Abdullah der Ohnmacht nahe, springt aber nur zwei Sekunden später wie aus dem Nichts mit einer unglaublichen Energie aus dem Wagen und läuft dem wegfahrenden BMW ein paar Meter fluchend hinterher. Dann kommt er schnaubend

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