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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Mitleidsbonus, denn eigentlich sollte ich heute Morgen heiraten, aber Tante Emine hatte einen Herzinfarkt und …«
    Lysa fällt mir ins Wort:
    »Du wolltest heiraten? Warum hast du uns nicht eingeladen?«
    »Was? Ach so, äh, also … Ich hab nur die engsten … wobei ihr schon zu meinen engsten … äh, aber eingeladen habe ich nur die aller-aller-aller -engsten … äh …«
    Plötzlich wird mir der Vorteil der 2000-Leute-Hochzeiten klar: Wenn man einfach alle einlädt, kommt man nie in Erklärungsnot. In diesem Moment öffnet sich die Tür, und Rüdiger Kleinmüller tritt ein.
    »Hey, Daniel! Willkommen zurück bei Creative Brains !«
    Jetzt legt mir Rüdiger Kleinmüller den Arm um die Schulter und präsentiert mich der Truppe, als wäre ich sein bester Freund:
    »Daniel ist jetzt euer Chef, okay? Please treat him with love and respect. So, Daniel, und jetzt schieb deinen Arsch in den Konferenzraum – Jupp und Ralf Süffels sind da.«
    Damit verschwindet er. Meine erste Minute als Chef hatte den Wohlfühlfaktor einer Atomkatastrophe. Wenn Rüdiger Kleinmüller den Arm um einen legt, ist das, als würde man zum Arschloch geadelt. Ich lache gequält:
    » Please treat him with love and respect  … Au weia!«
    Als mein Team nicht mitlacht, versuche ich, mit der Stimme von Udo Lindenberg zu punkten.
    »Ja, das war ne panikmäßige Überraschung, aber jetzt geh’ ich erst mal el-schnello-mäßig in den Konfi, dübndüdüüüüü …«
    In diesem Moment kommt mir der Gedanke, dass die Stimme von Udo Lindenberg vielleicht nicht die allererste Wahl ist, wenn man sich als neuer Chef Respekt verschaffen will. Mit traumwandlerischer Sicherheit scheine ich die gesamte Verhaltensklaviatur zu beherrschen, die zur Untergrabung der eigenen Autorität nötig ist. Lysa, Karl und Ulli schauen mich erwartungsvoll an. Ich muss jetzt irgendwas sagen, sonst werde ich hier in den nächsten Wochen keinen Spaß haben. Ich improvisiere:
    »Also … passt auf: Ihr kennt mich. Ich rede gerne mit albernen Stimmen. Ich mache Comic-Geräusche. Wenn ich in Gedanken bin, schütte ich Milch in die Cola und Zitrone in den Kaffee. Und wie es aussieht, wird sich das auch nicht ändern, wenn ich Chef bin. Aber ich denke schon, dass ich beurteilen kann, ob eine Idee gut ist oder nicht. Insofern gebt mir bitte eine Chance, denn ich habe keine Lust, den Wochenend-Kurs Arschloch in 48 Stunden zu besuchen. Okay?«
    Mit diesen Sätzen lasse ich Karl, Lysa und Ulli allein und schließe die Tür. Autoritätspersonen tun das: Sie machen eine klare Ansage und verlassen dann den Raum. Ein schlechter Chef würde jetzt ängstlich dableiben und die Reaktionen abwarten – aber ich bin cool. Mal abgesehen davon, dass ich an der Tür lausche. Die sich jetzt öffnet. Ich tue spontan so, als hätte ich Schmutz von der Tür entfernt – aber eigentlich nur, weil ich in diversen Sitcoms gesehen habe, dass man so reagiert, wenn man beim Lauschen erwischt wird. Lysa schaut mich an und muss kichern. Ich rede spontan mit der Stimme von Martin Semmelrogge:
    »Wenn ihr meine Autorität nicht akzeptiert, werde ich euch zerquetschen wie eine Nussschale …«
    Dann schiebe ich noch ein Dieter-Hallervorden-Kichern (»Hü, hü, hü«) hinterher. Die drei lachen. Karl zündet sich eine selbst gedrehte Zigarette an:
    »Mach dir keine Sorgen, Daniel. Du hast zwar die Autorität eines kastrierten Erdmännchens, aber du bist immer noch die genialste Ideenschleuder, die in der Werbebranche rumläuft. Also – verlass dich auf uns!«
    Lysa und Ulli nicken. Ich bin gerührt und verspüre den Drang, eine emotionale Rede über Loyalität und Freundschaft zu halten, kenne mich aber gut genug, um freiwillig darauf zu verzichten.
    So gehe ich in den Konferenzraum, wo Kölsch und Mettbrötchen bereitstehen. Wenn sich Rüdiger Kleinmüller, der sonst auf Prosecco und Sushi steht, derart anbiedert, muss es um viel Geld gehen. Er erhebt sein Glas:
    »Also, lieber Jupp, lieber Ralf, auf den Dom, auf Süffels Kölsch und auf den FC  – Prösterchen!«
    Prösterchen statt Cheers  – es muss um sehr viel Geld gehen. JuppSüffels trinkt sein Kölsch auf ex und lässt einen langen Genuss-Seufzer hören. Er sieht mit seinem imposanten Schnäuzer und den vielen Lachfalten aus wie Henning Krautmacher, der Sänger der Höhner – bei etwa dreifacher Körperfülle. Sein Sohn Ralf Süffels ist die exakte Kopie seines Vaters – in jünger und ohne Schnäuzer. Auch er kippt das Kölsch

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