Der Boss
bisschen an der langen Leine lassen und sie für die Sache begeistern. Mein Problem: Die Sache heißt Bernd Banane.
Nachdem sich Lysa vom obligatorischen Bernd-Banane-will-der-deutsche-Eminem-werden-Lachkoller erholt hat, wird Ulli plötzlich ganz ernst:
»Ich habe erhöhten Augeninnendruck.«
Karl nimmt einen Zug aus seiner selbst gedrehten Zigarette.
»Hat das der Augenarzt gemessen?«
»Nein, ich spüre das.«
Da ich aus Erfahrung weiß, dass Ullis Symptome bei Ablenkung schnell verschwinden, eröffne ich einfach das Brainstorming:
»Leute, Ralf Süffels ist kein Musiker. Er hat keine Ausstrahlungund kein Talent. Andererseits: Wer wird schon Popstar, weil er so ein toller Musiker ist oder Ausstrahlung hat oder Talent?«
Ich habe die Aufmerksamkeit meines Teams und fahre fort:
»Nein, ein Star wird man heute, wenn man ein gutes Marketing-Konzept hat. Und wer sind die besten Profis für gute Marketing-Konzepte? Wir!«
Ich habe diese kleine Rede heute Nacht im Kopf vorbereitet, als im Nebenzimmer alle sieben Sekunden eine Harley Davidson gestartet wurde. Und es hat sich gelohnt: Meine Mitarbeiter hängen mir an den Lippen.
»Versteht ihr? Es kommt überhaupt nicht darauf an, wen wir zum Star machen – es zählt nur eins: wie wir ihn zum Star machen. Wir haben im letzten Jahr sogar koffeinfreien Kaffee wie ein cooles Produkt aussehen lassen. Und wenn das möglich ist, dann ist alles möglich. Dann können wir auch aus Bernd Banane …«
Leider kann ich den Satz ›Dann können wir auch aus Bernd Banane den deutschen Eminem machen‹ nicht zu Ende sprechen. Schon bei dem Wort Banane fange ich an zu glucksen, danach bekomme ich einem Lachanfall, der beim Versuch, die Worte den deutschen Eminem auszusprechen, regelrecht hysterisch wird. Die Anspannung der letzten Tage löst sich, und mindestens zwei Minuten lang kann ich nicht verhindern, dass ich völlig wehrlos von Lachkrämpfen geschüttelt werde und mir Flüssigkeit aus Augen, Nase und Mund läuft. Als ich mich langsam beruhige, verbrauche ich noch eine halbe Packung Taschentücher, bis meine Augen wieder so klar sind, dass ich in die grinsenden Gesichter meiner Mitarbeiter sehen kann. Ich atme noch einmal tief durch und rede dann mit einer Lifestyle-Reporter-Stimme:
»Meine Damen und Herren, das war die historische Rede, mit der Daniel Hagenberger seine Mitarbeiter so sensationell motivieren konnte, dass an diesem Tag die größte Hip-Hop-Legende aller Zeiten geboren wurde: Bernd Banane!«
Alle lachen noch mal. Dann kriegt Lysa ihren Ich-sage-jetzt-mal-ganz-im-Ernst-was-Kluges-Gesichtsausdruck:
»Es ist eigentlich traurig, aber Daniel hat recht. Jeder Honk wird heute Star. Wir können es versuchen.«
Karl nimmt einen so tiefen Zug aus seiner Zigarette, dass die Glut ihm fast die Fingernägel ansengt:
»Das wäre unser absolutes Meisterstück.«
Ulli hat seinen Augeninnendruck vergessen und klatscht begeistert in die Hände:
»Gerade, weil es eigentlich nicht geht.«
Lysa wird euphorisch:
»O ja! Wir spielen Gott. Wir erschaffen aus einem Klumpen Lehm einen Superstar.«
Ich sehe das Glitzern in den Augen meiner Mitarbeiter. Sie sind top motiviert. Es läuft noch besser, als ich gedacht hatte. In dem Moment öffnet sich die Tür und Kleinmüllers Sekretärin kommt herein.
»Daniel? Kleinmüller will dich sprechen. Die erste Bewerberin für deine Praktikantenstelle ist da.«
»Was? Die Anzeige sollte doch erst morgen raus?!«
Als ich die Tür zu Kleinmüllers Büro öffne, trifft mich fast der Schlag. Auf Kleinmüllers Sofa sitzt eine junge Brünette mit blonden Strähnen und künstlichen Fingernägeln. Es ist Aylins 18-jährige Cousine, Tante Emines Tochter Emine.
»Emine! Was machst du hier?«
»Keine Ahnung.«
Auch wenn sie im Vergleich zu ihrem Disco-Outfit in Jeans und silbernen Turnschuhen fast einen züchtigen Eindruck macht, ist ihr Dekolleté boulevardzeitungstitelseitentauglich.
»Daniel, vallaha, ist unheimlich schöne Firma hier.«
Erst jetzt merke ich, dass auf einem Stuhl in der anderen Ecke Emines Mutter sitzt, die Kaffeesatzlese-Emine. Leicht abwesend begrüße ich sie mit Wangenküsschen.
»Daniel, du hast Aylin erzählt, dass du kriegst eigene Praktikantin, und da hab ich gedacht, ist perfekt für Emine, weil Emine hat großes Begabung in Filmbranche.«
»Äh, Tante Emine, das hier ist nicht die Filmbranche, das ist die Werbebranche.«
»Egal, auf jeden Fall, Emine will unbedingt hier arbeiten.«
»Stimmt das,
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