Der Boss
Zlatko sind etwas Besonderes. Darauf kann man aufbauen.«
Karl zündet seinen Joint an.
»Hä?«
»Wenn etwas so außergewöhnlich schlecht ist, kann man damit Aufmerksamkeit erregen: Wir überreden Ralf, dass er dieses hässliche gelbe Glitzerkostüm anzieht, und dann … Lysa, du kennst doch den Typ vom SAT. 1-Frühstücksfernsehen?!«
»Den Thorsten. Klar.«
»Die müssen doch ihre blöde Sendung vollkriegen, die sowieso kein Schwein guckt. Sieh zu, dass Bernd Banane da reinkommt.«
»Dürfte kein Problem sein.«
»Okay. Karl, der Ingo ist doch noch im Team von TV Total , oder?!«
»Klar.«
»Dann gibst du ihm eine DVD mit dem Bernd-Banane-Auftritt bei SAT. 1 in die Hand. Ich gehe jede Wette ein: Stefan Raab zeigt das – und dann kriegen wir mindestens eine Million Klicks auf YouTube … Ich meine, das hat echtes Kult-Potenzial.«
Karl hat inzwischen mehrfach tief inhaliert und schaut mich mit glasigem Blick an:
»Daniel … du bist ein verdammtes Genie.«
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30
2 Tage, 9 Stunden und 15 Minuten nach
der geplatzten Hochzeit.
Ich habe bei den Denizo ğ lus geklingelt und warte vor der Haustür auf Aylin. Erst die verpatzte Silvesternacht, danach der Hochzeitsstress, anschließend das Hysteriefestival in der Uniklinik – jetzt freue ich mich auf unseren ersten entspannten Abend seit Wochen. Wir haben sogar sturmfreie Bude, denn ich habe Onkel Abdullah erzählt, sein Cousin in Düsseldorf sei beleidigt, weil Abdullah noch nicht bei ihm übernachtet hat. Das habe ich mir zwar ausgedacht, aber ich hatte Erfolg damit: Onkel Abdullah hat angebissen und verbringt die Nacht in Düsseldorf. Lügen macht Freude.
Als Aylin aus der Tür tritt, sieht sie einfach zum Anbeißen aus: Die offenen Haare fallen über den Fellkragen ihrer Wildlederjacke, und ihre wohlgeformten Beine leuchten dank einer weißen Wollstrumpfhose zwischen dem Jeans-Minirock und zur Jacke passenden Stiefeln hervor. Ich trage zum ersten Mal den Stoffmantel, den ich mir auf Aylins nachdrücklichen Rat anstelle meiner zehn Jahre alten Daunenjacke zugelegt habe. Aylin nickt anerkennend:
»Wow! Du siehst aus wie ein Stück neugeborener Mond.«
»Wie ein Stück neugeborener Mond?«
»Das sagen wir, wenn jemand gut aussieht.«
»Oh, danke. Du siehst besser aus als alle Stücke des neugeborenen Mondes zusammen.«
Aylin lächelt.
»Fahren wir mit dem Auto, Daniel?«
»Nee, ich bin mit der Bahn hier.«
Aylin grinst, schließt den Ford Focus ihres Vaters auf und setzt sich ans Steuer. Ich bin überrascht:
»Aber … Wann hast du denn den Führerschein gemacht?«
»Überraschung!«
Aylin gibt mir eine kleine Karte – tatsächlich. Da steht Aylin Denizo ğ lu.
»Wow! Ja, herzlichen Glückwunsch! Super! Ich bin begeistert.«
Ich setze mich auf den Beifahrersitz, umarme Aylin und wundere mich: Sie hat den kompletten Theorieunterricht, alle Fahrstunden und die Prüfung absolviert, ohne dass ich auch nur den Hauch von einer Ahnung davon hatte. Unwillkürlich frage ich mich, ob es noch andere Dinge gibt, die sie mir verheimlicht.
Aylin startet den Motor im dritten Versuch erfolgreich und fährt sanft aus der Parklücke. Dann lässt sie die Kupplung zu schnell kommen und würgt den Motor ab – der Wagen macht einen Satz und bleibt quer auf der Straße stehen. Wobei das eigentliche Problem der Radfahrer war, dem Aylin die Vorfahrt genommen hat. Und der sich jetzt aufregt wie Jürgen Klopp nach einer falschen Schiedsrichterentscheidung. Aylin lässt das Fenster herunter und brüllt zurück:
»Siktir!«
»Äh, Aylin, ich bin noch nicht so sicher in der türkischen Sprache, aber heißt das nicht ›fick dich‹?«
»Ja, aber auf Deutsch klingt das irgendwie brutaler. Auf Türkisch ist das ganz normal.«
Ich schaue Aylin entsetzt an – Aylin lächelt auf die süßest denkbare Weise zurück:
»Ich hasse alle Radfahrer.«
»Entschuldigung, aber ich fahre auch gerne Rad.«
»Okay, ich hasse alle Radfahrer bis auf einen.«
Aylin startet den Motor diesmal schon im zweiten Versuch und lässt jetzt die Kupplung mit mehr Gas kommen – was dazu führt, dass sie zwar nicht den Motor abwürgt, aber auch beim Hochschalten in den zweiten Gang Vollgas gibt und mit gut 50 km / h eine rote Ampel überfährt. Was nicht so schlimm ist, weil der BMW – Fahrer, der jetzt von rechts auf uns zurast und uns um ein Haarvon der Venloer Straße ins Jenseits befördert, sowohl ein gutes Reaktionsvermögen als auch Bremskraftverstärker
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