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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Supertalent – das sind doch alles Verzweifelte, die sich für ein bisschen Aufmerksamkeit zum Affen machen. Und Ihr Sohn ist die ärmste Sau von allen! Ich meine: Wie tief muss man sinken, um in einem gelben Glitzerkostüm im SAT. 1-Frühstücksfernsehen nach einem Bericht über Laktoseintoleranz bei Nagetieren …«
    Und wieder fange ich an zu schluchzen. Ich bin von mir selbst überrascht. Normalerweise denke ich gar nicht so moralisch. Und wenn, dann wenigstens mit der Stimme von Udo Lindenberg.
    Jupp Süffels ist jetzt sauer:
    »Herr Hagenberger, hören Sie auf! Der Ralf muss sisch konzentrifizieren!«
    » Ich soll aufhören? Sie drängen ihn doch zu dem Schwachsinn hier. Wie ich diesen familiären Druck hasse! Daniel, mach dies, Daniel, mach das. Den musst du anlügen, und die dürfen nicht nebeneinandersitzen, und …«
    »Wovon reden Sie überhaupt?!«
    »Ich … äh …«
    »Dat muss isch mir nit anhören. Verlassen Sie auf der Stelle die Garderobe meines Sohnes.«
    Ich nicke stumm und will gerade gehen, als sich die Tür öffnet und der Kopf der Headset-Tusse erneut erscheint:
    »Es ist so weit. Kommen Sie bitte mit, Herr Banane.«
    »Nein.«
    Jupp Süffels ist schockiert:
    »Ralf, na los …«
    »Nein. Herr Hagenberger hat recht. Isch wollte nie auftreten. Nit im Karneval, und schon gar nit hier. Dat war immer nur dein Wunsch.«
    Die Headset-Tusse spricht in ihr Headset:
    »Wir haben ein Problem mit dem Künstler. Zieht den Beitrag über den Erfinder der aufziehbaren Hüpfpenisse vor.«
    Jupp Süffels legt jetzt jovial den Arm um sie:
    »Mädschen, dat hab isch gleisch. Gib mir drei Minuten, dann ist der Jung parat.«
    »Na hoffentlich.«
    Die Headset-Tusse verschwindet, und Jupp Süffels redet jetzt auf seinen Sohn ein wie ein Box-Coach auf seinen Schützling nach einer verlorenen Runde:
    »Hey, lass disch nit hängen – du jehst da jetzt raus und singst dat Lied. Haben wir uns verstanden???!!!«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
    Plötzlich bin ich hellwach. Und mir kommt eine Idee:
    »Herr Süffels, wenn Ihr Sohn nicht will – warum treten Sie nicht auf?«
    »Isch? Dat ist doch Quatsch.«
    »Wieso? Sie haben doch eben gesagt, Sie können den Text.«
    Jupp Süffels denkt kurz nach. Dann atmet er einmal tief aus und dreht sich zu seinem Sohn:
    »Ralf, zieh dat Kostüm aus, und zwar schnell. Jetzt jeht et um die Familienehre.«
    In Windeseile wechselt das Kostüm den Träger. Ob man die Familienehre rettet, indem man seinen Bierbauch in ein gelbes Glitzerkostüm zwängt, ist mir allerdings nicht zu 100 Prozent klar.
    Als Jupp Süffels von der Headset-Tusse ins Studio geführt wird, bleiben Ralf und ich in der Garderobe. Über einen Monitor können wir die Sendung verfolgen – gerade hüpft ein aufziehbarer Hüpfpenis vom Beckenrand in einen edlen Swimmingpool, dann erscheint eine Moderatorin:
    »Tja, es gibt viele Wege, zu einer Strandvilla in Malibu zu kommen. Der Vertrieb von aufziehbaren Hüpfpenissen ist einer davon. Freuen Sie sich jetzt auf einen Mann, der Ihnen heute Morgen den Rhythmus beim Zähneputzen vorgibt: Hier ist – live gesungen – Bernd Banane.«
    Es folgt ein Schnitt auf Jupp Süffels, der unbeholfen in derKulisse steht, während sich die gelbe Weste über seinem Bauch spannt:
    »Welsche Kamera is jetzt die richtige? Die, wo dat rote Licht brennt?!«
    Auch wenn Kleinmüller den Süffels-Deal nach meinem heutigen Verhalten wohl verlieren dürfte, lenkt mich diese absurde Performance erfolgreich von meinem Liebeskummer ab.
    Im Monitor hüpft Jupp Süffels mit einer ähnlichen Eleganz wie zuvor der Plastikpenis durchs Bild und singt:
    »Schallallallallallaaaa schallallallallalllalllllaaaaaa …«
    So viel zum Thema ›Ich kann den Text‹.
    Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen, und auch Ralf Süffels lässt sich vom skurrilen Auftritt seines Vater erheitern, der seinen Höhepunkt findet, als Jupp Süffels bei einem Ausfallschritt kurz nacheinander erst die Weste und dann das Hemd platzen.
    Ich höre im Geiste schon, wie Kleinmüller mich feuert, weil ich den Süffels-Deal versaut habe, als etwas Erstaunliches passiert: Jupp Süffels reißt das Hemd nach dem Refrain komplett auf und präsentiert voller Stolz sein Feinripp-Unterhemd – als sei die Panne geplant gewesen.
    Dann tanzt er beschwingt durchs Studio, macht kurz vor der Kamera halt und zwinkert hinein – kaum zu glauben, dass das sein erster Auftritt ist. Die Moderatorin

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