Der Botschafter
akzentgefärbtes Französisch. Er bekam ein Mansardenzimmer mit schönem Blick auf den Park und die Seinebrücken.
Delaroche steckte ein Magazin in den Griff seiner Beretta, lud die Waffe durch und verließ das Hotel.
Dr. Maurice Leroux, plastischer Chirurg, hatte seine Praxis in einem eleganten Gebäude in der Avenue Victor Hugo unweit des Triumphbogens. Durch einen Anruf, bei dem er einen falschen Namen nannte, überzeugte Delaroche sich davon, daß er Leroux heute in der Praxis antreffen würde. Der Sprechstundenhilfe erklärte er, er werde später vorbeikommen, und legte rasch auf.
Nun saß Delaroche in einem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite an einem Tisch am Fenster und wartete darauf, daß Leroux das Gebäude verließ. Kurz vor fünf trat der Chirurg auf die Straße. Er trug einen grauen Kaschmirmantel und schien der letzte Pariser zu sein, der tatsächlich eine Baskenmütze trug. Er lief beschwingt, als sei er sehr mit sich zufrieden.
Leroux ging zum Triumphbogen, umrundete die Place Charles de Gaulle und schlenderte dann die Avenue des Champs-Élysees hinunter. Er betrat das Restaurant Fouquet, in dem er von einer eleganten Mittfünfzigerin erwartet wurde.
Delaroche erkannte sie als eine Schauspielerin, die in französischen Fernsehdramen kleinere Rollen spielte.
Der Oberkellner geleitete den Chirurgen und die alternde Schauspielerin in den für Stammgäste reservierten Teil des Restaurants. Delaroche entschied sich für einen kleinen Tisch im öffentlichen Teil des Restaurants, von dem aus er den Ausgang beobachten konnte. Er bestellte die Medaillons de veau »Curnonsky« und trank dazu eine halbe Flasche des leichten Burgunders Savignyles-Beaune. Als Leroux keine Anstalten machte, das Restaurant zu verlassen, bestellte er noch einen Käseteller und danach Café au lait.
Leroux und seine Begleiterin verließen das Restaurant erst nach fast zwei Stunden. Delaroche beobachtete sie durch die Scheibe. Es war windig, und Leroux schlug mit theatralischer Geste seinen Mantelkragen hoch. Er küßte der Schauspielerin zum Abschied die Hand und berührte ihre Wange, als bewundere er sein Werk. Er hielt ihr die Tür des bestellten Taxis auf. Dann kaufte er an einem Kiosk einige Zeitschriften, klemmte sie sich unter den Arm und ging durch die Menge davon, die sich um diese Zeit auf den Gehsteigen der Champs-Elysees drängte.
Delaroche zahlte rasch und folgte ihm.
Maurice Leroux hatte offenbar das Bedürfnis, sich Bewegung zu verschaffen. Mit seinen Zeitschriften unter dem Arm ging er die Champs-Elysees hinunter zum Place de la Concorde. Da er keinen Grund zu der Annahme hatte, er werde beschattet, war es sehr leicht ihm zu folgen. Delaroche mußte nur darauf achten, ihn auf dem belebten Gehsteig nicht aus den Augen zu verlieren.
Aber sein teurer Mantel und seine lächerliche Baskenmütze waren so auffällig, daß Delaroche damit keinerlei Mühe hatte.
Leroux überquerte die Seine auf der Concorde-Brücke und ging längere Zeit auf dem Boulevard Saint-Germain weiter.
Delaroche zündete sich eine Zigarette an und rauchte im Gehen.
Leroux betrat ein Bistro unweit der Kirche Saint-Germain-des-Près und setzte sich an die Theke. Delaroche kam wenig später herein und nahm in der Nähe der Tür Platz. Leroux trank Weißwein und schwatzte mit dem Mann hinter der Theke. Das hübsche Mädchen, das bediente, ignorierte seinen unbeholfenen Versuch, mit ihm zu flirten.
Als Leroux nach ungefähr einer halben Stunde das Bistro verließ, war er ziemlich betrunken. Delaroche war das nur recht, weil es ihm die Arbeit erleichtern würde. Leroux wankte im Nieselregen den Boulevard Saint-Germain entlang und bog in der Nähe der Metrostation Mabillon in eine kleine Seitenstraße ab.
Er blieb unter dem Vordach seines Hauses stehen und schaffte es im zweiten Anlauf, den Code einzutippen, mit dem sich die Tür öffnen ließ. Delaroche schlüpfte nach ihm hinein, bevor die Tür wieder ins Schloß gefallen war. Sie traten gemeinsam in den Fahrstuhl, einen altmodischen Eisenkäfig, der im Treppenhaus nach oben ratterte. Leroux drückte den Knopf für die fünfte Etage, Delaroche den für die sechste. Unterwegs machte Delaroche auf französisch mit Pariser Akzent eine Bemerkung über das miserable Wetter. Leroux grunzte etwas Unverständliches. Er erkannte seinen Patienten offenbar nicht wieder.
Leroux stieg in seiner Etage aus. Als der Aufzug weiterfuhr, beobachtete Delaroche durch die Gitterstäbe, wie Leroux
Weitere Kostenlose Bücher