Der Botschafter
und las die Online-Zeitungen, bis die junge Deutsche in seinem Bett sich regte.
Er hatte ihren Namen vergessen - irgendwas wie Inga, vielleicht Eva. Sie hatte breite Hüften und schwere Brüste. Um cool zu wirken, hatte sie sich ihr Haar schwarz gefärbt. Im grauen Dämmerlicht des anbrechenden Tages sah Delaroche jetzt, daß sie fast noch ein Kind war, höchstens siebzehn oder achtzehn. In ihrer leicht unbeholfenen Art hatte sie etwas von Astrid Vogel an sich. Bei ihrem Anblick ärgerte er sich über sich selbst. Er hatte sie nur verführt, um sich selbst zu beweisen, daß er noch dazu imstande war - nicht anders als bei einem Spurt zum Abschluß einer längeren Radtour -, aber jetzt wollte er nur, daß sie ging.
Sie stand auf, verschwand im Bad und kam in ein Badetuch eingewickelt heraus.
»Kaffee?« fragte sie.
»In der Küche«, sagte er, ohne vom Monitor aufzusehen.
Sie trank ihren Kaffee nach deutscher Art mit viel Sahne, rauchte eine von Delaroches Zigaretten und beobachtete ihn schweigend, während er las.
»Ich muß heute nach Paris«, sagte er.
»Nimm mich mit.«
»Nein.«
Er sprach ruhig, aber energisch. Früher hätte dieser Tonfall ein Mädchen nervös gemacht oder in ihm den Wunsch geweckt, schnellstens zu verschwinden. Aber die Kleine starrte ihn nur über ihre Kaffeetasse hinweg an und lächelte. Das mußte an seinem Gesicht liegen, vermutete er.
»Ich bin noch nicht fertig mit dir«, sagte sie.
»Sorry, keine Zeit mehr.«
Sie schmollte verspielt.
»Wann sehe ich dich wieder?«
»Gar nicht.«
»Ach komm«, sagte sie. »Ich möchte mehr über dich erfahren.«
»Nein, das willst du nicht«, widersprach er und schaltete den Computer aus.
Sie küßte ihn und tapste barfuß weg. Ihre Sachen waren auf dem Fußboden verstreut: zerschlissene schwarze Jeans, ein kariertes Holzfällerhemd aus Flanell und ein schwarzes T-Shirt mit dem Namen einer Rockband, den Delaroche noch nie gehört hatte. Als sie angezogen war, baute sie sich vor ihm auf und fragte: »Weißt du bestimmt, daß du mich nicht nach Paris mitnehmen willst?«
»Ganz bestimmt«, antwortete er nachdrücklich, aber sie hatte etwas an sich, das ihm gefiel. »Ich bin morgen abend wieder da«, fügte er freundlicher hinzu. »Komm um neun, dann koche ich dir ein Abendessen.«
»Ich will kein Abendessen«, sagte sie abwehrend. »Ich will dich.«
Delaroche schüttelte den Kopf. »Ich bin zu alt für dich.«
»Du bist überhaupt nicht alt. Dein Körper ist wunderbar, und du hast ein interessantes Gesicht.«
»Interessant?«
»Ja, interessant.«
Ihr Blick glitt über die Leinwände, die an den Wänden seines Ateliers lehnten.
»Du fährst nach Paris, um zu arbeiten?« fragte sie.
»Ja«, sagte Delaroche.
Dela roche nahm ein Taxi zur Amsterdamer Centraal Station und löste eine Fahrkarte erster Klasse für den Morgenzug nach Paris. Auf dem Bahnhof kaufte er sich die Morgenzeitungen, die er auf der Fahrt durch die weiten niederländischen Ebenen las.
Eine Meldung, die vor allem ein Blatt groß aufmachte, interessierte ihn besonders. Eine paramilitärische Gruppe nordirischer Protestanten hatte letzte Nacht versucht, den US-Botschafter in Großbritannien zu ermorden, während er das Wochenende auf einem Landsitz in Norfolk verbrachte. Wie die Zeitungen meldeten, hatten die zum Schutz des Botschafters abgestellten Beamten der Special Branch drei der Attentäter erschossen und zwei weitere festgenommen. Der angebliche Führer der Ulster Freedom Brigade, ein gewisser Kyle Blake, war in Portadown verhaftet worden. Die Polizei fahndete nach einer Frau, die an der Vorbereitung des Attentats beteiligt gewesen sein sollte.
Delaroche faltete die Zeitung zusammen und starrte aus dem Fenster. Er fragte sich, ob Michael Osbourne, der Schwiegersohn des Botschafters, etwas mit diesem Vorfall zu tun gehabt hatte. Der Direktor hatte auf Mykonos berichtet, Osbourne sei von der CIA zur Bekämpfung des Terrorismus in Nordirland zurückgeholt worden.
Sein Zug fuhr am frühen Nachmittag auf dem Pariser Gare du Nord ein. Delaroche nahm seine kleine Reisetasche aus der Gepäckablage. Er durchquerte die Bahnhofshalle rasch und nahm sich draußen ein Taxi. Er hatte sich ein Zimmer in einem kleinen Hotel in der Rue de Rivoli mit Blick auf den Tuileriengarten reservieren lassen. Er sagte dem Fahrer, er wolle in der Rue Saint-Honoré aussteigen, und ging den Rest der Strecke zu Fuß.
Im Hotel gab er sich als Niederländer aus und sprach stark
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