Der Botschafter
jemand dort eindrang, während er unterwegs war. Am letzten Novembertag akzeptierte er endlich die Tatsache, daß er nicht überwacht wurde.
An diesem Abend schlenderte er zu einem guten Restaurant, um zu Abend zu essen.
Zum ersten Mal seit dreißig Jahren ließ er seine Pistole in der Wohnung.
Im Dezember mietete Delaroche einen Seat und fuhr damit nach Frankreich. Er hatte Breies, das alte Fischerdorf an der bretonischen Küste, vor über einem Jahr verlassen und war seither nicht wieder dort gewesen. Nachdem er in Biarritz übernachtet hatte, kam er am nächsten Tag gegen Mittag in Breies an.
Er parkte seinen Leihwagen und machte einen Rundgang durchs Dorf. Niemand erkannte ihn. In der Bäckerei würdigte Mlle. Trevaunce ihn kaum eines Blickes, als sie ihm ein Weißbrot gab. Mlle. Plauché beim Fleischer hatte früher schamlos mit ihm geflirtet; jetzt schnitt sie mürrisch den Schinken auf, packte ein keilförmiges Stück Ziegenkäse dazu und ließ ihn grußlos seines Weges ziehen.
Delaroche ging in das Café, in dem die alten Männer ihre Nachmittage verbrachten. Er fragte, ob jemand eine Irin im Dorf gesehen habe: schwarzhaarig, gute Figur, hübsch. »In dem alten Haus am Kap wohnt eine Irin«, sagte Didier, der rotgesichtige Inhaber des Geschäfts für Haushaltswaren. »Wo früher der Verrückte gelebt hat l e Solitaire.«
Als Delaroche so tat, als verstehe er seine letzte Bemerkung nicht, lachte Didier nur und beschrieb ihm den Weg zu dem alten Haus. Dann lud er Delaroche ein, ihnen bei Wein und Oliven Gesellschaft zu leisten. Aber Delaroche schüttelte den Kopf und sagte: »Non, merci.«
Delaroche fuhr die Küstenstraße entlang und parkte ungefähr hundert Meter von dem Haus entfernt in einer Kehre über dem Wasser. Er sah Rauch aus dem Kamin aufsteigen, nur um sofort vom Wind zerteilt zu werden.
Er blieb am Steuer sitzen, aß Brot, Schinken und Käse, rauchte und beobachtete das Haus und die Wogen, die sich an den Felsen brachen. Einmal sah er flüchtig ihr rabenschwarzes Haar, als sie an einem offenen Fenster vorbeiging.
Er dachte an das, was Michael Osbourne zuletzt gesagt hatte, bevor sie sich an jenem Abend auf Shelter Island getrennt hatten. Sie hat Schlimmeres verdient, hatte er gesagt. Sie hätte den Tod verdient. Osbourne war viel zu anständig - zu tugendhaft -, um Monica Tyler zum Tod zu verurteilen, aber Delaroche glaubte zu wissen, was er in diesem Augenblick wirklich dachte. Diesen geringen Preis zahlte er gern dafür, daß Osbourne ihm die Freiheit schenkte. Tatsächlich hatte es ihm sogar Spaß gemacht, denn Monica Tyler gehörte zu den widerlichsten Menschen, die ihm je begegnet waren. Und für ihre Beseitigung gab es einen weiteren Grund: Sie hatte sein Gesicht gesehen.
Rebecca trat mit verschränkten Armen auf die Terrasse, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Will sie mich sehen?
fragte Delaroche sich. Oder will sie, daß ich wegbleibe, damit sie die ganze Sache hinter sich lassen kann? Am einfachsten wäre es gewesen, umzukehren und sie zu vergessen. Nach Lissabon zurückzufahren, sich in die Arbeit zu stürzen. Das Angebot des Galeristen anzunehmen.
Er ließ den Motor an. Selbst dieses entfernte Geräusch ließ sie herumfahren und unter ihren Pullover greifen. Das kommt vom Leben auf der Flucht, dachte Delaroche. Sie fahrt bei jedem unbekannten Geräusch zusammen und greift nach der Waffe.
Diese Reaktion kannte er nur allzugut.
Rebecca starrte den Wagen lange prüfend an, und nach einiger Zeit verzogen ihre Lippen sich zur Andeutung eines Lächelns. Dann wandte sie sich ab und blickte wieder aufs Meer hinaus und wartete darauf, daß er zu ihr kam. Delaroche legte den ersten Gang ein und fuhr die Straße zum Haus hinunter.
DANKSAGUNGEN
Obwohl Der Botschafter ein Roman ist, handelt das Buch offensichtlich von realen gegenwärtigen und vergangenen Ereignissen in Nordirland. Da die Engländer und die Iren in diesen Konflikt verwickelt sind, gibt es keinen Mangel an großartigen Werken über dieses Thema, aus denen ich geschöpft habe. Tatsächlich habe ich bei der Abfassung dieses Manuskripts Dutzende von Sachbüchern zu Rate gezogen. Die bemerkenswerten Werke Martin Dillons - vor allem auch The Shankill Butchers und The Dirty War - sind mir besonders nützlich gewesen; das gilt auch für Standardwerke wie The Troubles von Tim Pat Coogan und The Provisional IRA von Patrick Bishop und Eamonn Mallie. Der Versuch, Geschichte im Werden zu beobachten, kann schwierig sein,
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