Der Botschafter
Katakomben des Thames Houses bei der rituellen Einsatzbesprechung mit den Mandarinen des MI5. Anschließend lief er auf der Millbank zwanzig Minuten lang durch den Regen und versuc hte ein Taxi zu finden, weil Wheaton sich unter einem sehr zweifelhaften Vorwand seinen Dienstwagen geschnappt hatte. Schließlich flüchtete er sich in die U-Bahn-Station Pimlico und nahm die U-Bahn. London, das er sonst liebte, erschien ihm plötzlich trübselig und bedrückend. Er wußte, daß es Zeit war, heimzufahren.
Graham Seymour kam am nächsten Morgen ins Winfield House, um Michael zum Flughafen Heathrow zu bringen - diesmal nicht mit dem Rover, der sein Dienstwagen war, sondern mit einem Jaguar mit Chauffeur.
»Auf der Fahrt zum Flughafen müssen wir einen kleinen Stop einlegen«, kündigte Graham an, als Michael hinten bei ihm einstieg. »Nichts Ernstes, Schätzchen. Nur eine Kleinigkeit, die noch zu erledigen ist.«
Die Limousine verließ den Regent's Park und fuhr die Baker Street entlang nach Süden. Graham wechselte das Thema.
»Hast du das hier gesehen?« fragte er und zeigte auf eine Meldung in der Times über die rätselhafte Ermordung eines prominenten französischen Schönheitschirurgen.
»Ich habe die Meldung überflogen«, antwortete Michael.
»Was ist damit?«
»Er ist ein unartiger Junge gewesen.«
»Wie meinst du das?«
»Wir haben ihn schon immer in Verdacht gehabt, sich damit ein Zubrot zu verdienen, daß er gesuchten Terroristen neue Gesichter verschafft«, sagte Graham. »Der gute Doktor hat mehrmals Hausbesuche an exotischen Orten wie Tripolis oder Damaskus gemacht. Wir haben die Franzosen gebeten, ihn im Auge zu behalten, und sie haben uns wie üblich aufgefordert, uns zum Teufel zu scheren.«
Michael las die Meldung nochmals durch; sie bestand nur aus zwei kurzen Absätzen. Maurice Leroux war in seiner Wohnung im 6. Arondissement erschossen worden. Die Pariser Polizei ermittelte.
»Was für eine Waffe hat der Täter benützt?«
»Neun Millimeter.«
Der Jaguar fuhr zügig auf der Park Lane nach Süden, dann durchquerte er unter dem Constitution Hill den Green Park.
Wenige Augenblicke später rollte er durchs Tor des Buckingham-Palasts.
Michael sah Graham an. »Bei dir kommt nie Langeweile auf, was?«
»Das ist mein ganzer Ehrgeiz.«
»Wie nett, Sie wiederzusehen, Mr. Osbourne«, sagte Königin Elisabeth II., als sie einen Salon betraten. »Bitte nehmen Sie Platz.«
Michael nahm Platz. Tee wurde serviert, und ihre Assistenten und Mitarbeiter zogen sich zurück. Graham Seymour wartete draußen im Vorzimmer.
»Ich möchte Ihnen für Ihre hervorragende Arbeit danken, die Sie bei der Bekämpfung der Ulster Freedom Brigade geleistet haben«, fuhr die Königin fort. »Die Bevölkerung Nordirlands steht tief in Ihrer Schuld - wie übrigens das gesamte Vereinigte Königreich.«
»Danke, Euer Majestät«, sagte Michael höflich.
»Ich habe mit großem Bedauern von Ihrem Agenten gehört, der in Nordirland ermordet worden ist.« Sie machte eine kurze Pause, blickte stirnrunzelnd zur Decke auf. »Ach, du meine Güte, der Name des armen Mannes ist mir entfallen.«
»Kevin Maguire«, warf Michael ein.
»Ah, ganz recht, Harbinger«, sagte die Königin, indem sie Maguires Decknamen benützte. »Eine scheußliche Geschichte! Ich habe mit Erleichterung gehört, daß Sie nicht ernstlich verletzt wurden. Aber ich kann mir vorstellen, daß der Verlust eines Agenten wie Harbinger und noch dazu auf so gräßliche Weise -, Sie tief getroffen haben muß.«
»Kevin Maguire ist keineswegs vollkommen gewesen, aber es gibt unzählige Menschen, die nur seinetwegen heute noch leben.
Er hat enormen Mut gebraucht, um die IRA zu verraten, und letztlich mit dem Leben dafür bezahlt.«
»Was haben Sie vor, nachdem die protestantische Gefahr jetzt neutralisiert zu sein scheint? Bleiben Sie bei der CIA, oder wollen Sie wieder in den Ruhestand abtauchen?«
»Das weiß ich noch nicht«, gestand Michael. »Im Augenblick möchte ich nur nach Hause und meine Frau und meine Kinder wiedersehen. Ich bin lange fort gewesen.«
»Ich weiß nicht, ob ich mit jemandem, der Ihren Beruf hat, verheiratet sein könnte.«
»Das können nur ganz besondere Frauen«, sagte Michael.
»Ihre Frau unterstützt Sie also?«
Michael lächelte schwach. »Soweit würde ich nicht gehen, Euer Majestät.«
»Sie müssen wohl tun, was Sie glücklich macht. Und wenn Ihre Arbeit für die CIA Sie glücklich macht, wird sie das sicher verstehen.
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