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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ich.«
    »Wo ist sie?«
    Der Direktor zeigte den Weg entlang. »Gehen Sie ungefähr hundert Meter weiter. Sie sitzt dort auf einer Bank: blondes Haar, liest eine deutsche Zeitung, Die Welt. Ich bereite schon mal die Dossiers vor und organisiere Ihre Reise nach Amerika.
    Sie bleiben hier in Amsterdam, bis ich mich bei Ihnen melde.«
    Und damit wandte der Direktor sich ab und verschwand in dem Dunst, der aus den Wiesenflächen des Vondelparks aufstieg.
    An einem der Kioske im Park kaufte Delaroche einen kleinen Stadtplan von Amsterdam. Damit setzte er sich auf die Bank neben der, auf der Rebecca Wells pflichtbewußt vorgab, die gestrige Ausgabe der Welt zu lesen. Er interessierte sich weniger für die Frau als für das, was in ihrer Umgebung vorging.
    Zwanzig Minuten lang beobachtete er die Gesichter der Vorbeigehenden und hielt Ausschau nach irgendwelchen Anzeichen dafür, daß sie beschattet wurde. Die Blonde schien allein zu sein, aber er wollte ganz sichergehen. Er kreuzte einen Punkt auf dem gekauften Stadtplan an und ging damit zu ihr hinüber. »Wir treffen uns dort in genau zwei Stunden«, sagte er und gab ihr den Stadtplan mit dem angekreuzten Treffpunkt.
    »Bleib in Bewegung, komm keine Minute zu früh.«
    Der Punkt, den Delaroche auf dem Stadtplan angekreuzt hatte, war das Nationaal Monument auf dem Damplein. Rebecca Wells blieb noch über eine halbe Stunde im Vondelpark, schlenderte durch die Anlagen und machte unterwegs mehrmals an den Seen halt. Einmal kehrte sie überraschend um, so daß Delaroche hastig in einer öffentlichen Toilette verschwinden mußte, um nicht entdeckt zu werden.
    Vom Park aus ging sie ins Van-Gogh-Museum hinüber. Sie löste am Haupteingang eine Eintrittskarte und betrat das Gebäude. Delaroche folgte ihr mühelos durch das gut besuchte Museum. Van Gogh war einer der ersten Künstler gewesen, von denen er sich bei seiner eigenen Malerei hatte beeinflussen lassen; er war so fasziniert von Raben über Kornfeldern, einem seiner Lieblingsbilder, daß er die Blonde für kurze Zeit aus den Augen verlor. Aber er entdeckte sie gleich wieder vor van Goghs Schlafzimmer in Arles. Irgend etwas an diesem farbenfrohen Gemälde, van Goghs Sinnbild häuslichen Friedens, schien sie zu beeindrucken.
    Sie verließ das Museum, ging über den Albert Cuypmarkt und folgte der Singelgracht bis zur Amstel. Dort sprang sie plötzlich in eine Straßenbahn. Delaroche hielt ein Taxi an und folgte ihr.
    Sie fuhr mit der Straßenbahn zum Leidseplein und setzte sich in der Nähe des Hotels American in ein Gehsteig-Café, wo sie Kaffee und Kuchen bestellte. Delaroche beobachtete sie von einem Café auf der anderen Seite des Kanals aus. Sie zahlte und stand auf, ging dann aber nicht auf dem Gehsteig weiter, sondern verschwand im Inneren des Cafés.

    Delaroche ging rasch ans andere Ufer hinüber. Er fragte den Ober auf holländisch, ob er seine Freundin gesehen habe - eine blond gefärbte Irin. Der Ober nickte zur Toilette hin. Delaroche klopfte an die Tür. Als keine Antwort kam, öffnete er die Toilettentür und stellte fest, daß die Frau verschwunden war. Ein rascher Blick in die Küche zeigte ihm einen Hinterausgang, der auf eine schmale Gasse hinausführte. Ohne auf die Proteste des Küchenpersonals zu achten, ging er durch die Küche und trat auf die Gasse hinaus. Die Frau war nirgends zu sehen.
    Er fuhr mit der Straßenbahn zum Damplein, wo er sie neben einem der Löwen am Sockel des Nationaal Monuments sitzen sah. Rebecca blickte auf ihre Uhr und lächelte. »Wo bleibst du so lange?« fragte sie. »Ich hab' mir schon Sorgen um dich gemacht.«
    »Beschattet wirst du nicht«, sagte Delaroche und setzte sich neben sie, »aber du bewegst dich amateurhaft.«
    »Ich hab' dich abgehängt, stimmt's?«
    »Ich bin allein und zu Fuß. Einen einzelnen Mann zu Fuß kann jeder abhängen.«
    »Jetzt paß mal auf, du Bastard. Ich bin aus Portadown in Nordirland. Bei mir kannst du dir deine Machomasche sparen.
    Mir ist kalt, ich bin hungrig, und ich hab' diesen Scheiß satt. Der Alte hat gesagt, du hättest eine Unterkunft für mich. Also los!«
    Sie gingen schweigend die Prinsengracht entlang, bis sie die Krista erreichten. Delaroche sprang aufs Achterdeck hinunter und streckte Rebecca eine Hand hin, um ihr zu helfen. Aber sie blieb auf dem Gehsteig stehen und starrte ihn an, als sei er verrückt. »Wenn du glaubst, daß ich Lust habe, auf einem beschissenen Schleppkahn zu hausen ...«
    »Das ist kein Schleppkahn«,

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