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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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dein Urteil schätzen würde.«
    »Danke, ich komme gern.«
    Michael kritzelte seine Adresse auf ein Blatt Papier und gab es ihr.
    »Sieben Uhr«, sagte er dazu.
    »Gut, ich komme.« Cynthia faltete das Blatt zusammen. »Wir sehen uns in Carters Büro.«
    Als sie gegangen war, schaltete Michael seinen Computer ein und las die nachts eingegangenen Meldungen durch. Im County Antrim außerhalb von Belfast hatte eine RUC-Streife in einem Auto rund neunzig Kilogramm Semtex entdeckt, das einer republikanischen Splittergruppe gehören sollte, die sich Wahre IRA nannte.
    Michael klickte die nächste Meldung an. In der Nähe von Banbridge im County Down war ein Katholik erschossen worden. Die RUC vermutete den oder die Täter in den Reihen der Loyalist Volunteer Force, einer als äußerst gewalt tätig bekannten protestantischen Extremistengruppe. Michael klickte die letzte Meldung an. Die Loge Portadown des Oranierordens hatte die Route ihres jährlichen Umzugs bekanntgegeben. Auch dieses Jahr beanspruchte sie wieder das Recht, durch die Garvaghy Road zu marschieren. Demnach würde die Marschsaison dieses Sommers ebenso konfrontativ verlaufen wie die letztjährige.
    Michael schaltete seinen Computer aus und ging in Carters Büro hinüber. Cynthia war bereits dort.
    »Ich hoffe, daß ihr beiden in den kommenden achtundvierzig Stunden keinen Wert auf Privatleben legt«, begann Carter.
    »Die Agency ist unser Leben, Adrian«, sagte Michael.
    »Ich habe eben mit Bill Bristol telefoniert.«
    »Sollen wir vielleicht beeindruckt sein, weil du mit dem Sicherheitsberater des Präsidenten gesprochen hast?«
    »Hältst du bitte für einen Augenblick die Klappe, bis ich ausgesprochen habe?«
    Cynthia Martin lächelte und sah in ihr Notizbuch.
    »Präsident Beckwith hat sich in den Kopf gesetzt, daß die Nordirlandkonferenz ein großer Erfolg werden muß. Seine Umfragewerte haben sich offenbar verschlechtert, und er will den Friedensprozeß dazu benützen, wieder mehr Zustimmung zu gewinnen.«
    »Ist das nicht nett?« fragte Michael ironisch. »Wie können wir ihm zu Diensten sein?«
    »Indem ihr dafür sorgt, daß er bestens auf die Konferenz vorbereitet ist. Er braucht ein vollständiges Bild der Lage in Ulster. Er braucht exakte Hintergrundinformationen, damit er weiß, wie weit er gehen kann, womit er Druck ausüben kann, um Bewegung in die Sache zu bringen. Und er muß wissen, ob wir unter den gegenwärtigen Umständen einen Nordirlandbesuch des Präsidenten für eine gute Idee halten.«
    »Bis wann?« fragte Michael.
    »Ihr sollt Bristol übermorgen im Weißen Haus informieren.«

    »Oh, gut, ich hatte schon Angst, er würde etwas Unzumutbares verlangen.«
    »Wenn ihr glaubt, damit überfordert zu sein ...«
    »Nein, nein, wir schaffen es.«
    »Das habe ich mir gedacht.«
    Michael und Cynthia standen auf. »Augenblick noch, Michael«, sagte Carter.
    »Wollt ihr hinter meinem Rücken über mich lästern?« erkundigte Cynthia sich.
    »Wie hast du das erraten?« fragte Adrian.
    Cynthia bedachte ihn mit einem mürrischen Blick und ging.
    Carter wandte sich an Michael. »Nimm dir zum Lunch nichts vor, okay?«
    Der Speisesaal der CIA-Zentrale liegt im sechsten Stock hinter einer schweren Metalltür, die in einen Kesselraum führen könnte. Er hieß Kasino für Führungskräfte, bis die Personalabteilung entdeckte, daß die Mitarbeiter unterhalb der Führungsebene diese Bezeichnung als kränkend empfanden. Die Agency änderte den Namen und öffnete das Restaurant für alle Mitarbeiter. Theoretisch konnten nun Arbeiter aus der Frachtabteilung in den sechsten Stock heraufkommen und mit stellvertretenden Direktoren und Abteilungsleitern zu Mittag essen. Trotzdem bevorzugten die me isten CIA-Mitarbeiter die liebevoll als »Schweinetrog« bezeichnete riesige Cafeteria im Untergeschoß, wo sie tratschen konnten, ohne befürchten zu müssen, von Vorgesetzten belauscht zu werden.
    Monica Tyler saß an einem Fenstertisch mit Blick über die dichten Bäume, die den Potomac River säumten. Ihre beiden allgegenwärtigen Faktoten, gehässigerweise als Tweedledum und Tweedledee bekannt, saßen rechts und links von ihr und hielten jeweils eine Ledermappe umklammert, als enthalte sie die verloren geglaubten Geheimnisse des Altertums. Die Tische um sie herum waren unbesetzt; Monica Tyler hatte eine Art, um sich herum freien Raum zu schaffen - einem Psychopathen mit einer Handgranate in der Faust nicht unähnlich.
    Monica blieb sitzen, als Carter und

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