Der Botschafter
unterbrach er sie. »Nimm meine Hand. Ich zeig's dir.«
Sie kam ohne seine Hilfe an Bord des Hausboots und sah zu, wie er das Vorhängeschloß aufsperrte, mit dem die Tür zum Niedergang gesichert war. Dann folgte sie ihm in den Salon hinunter und war von der behaglichen Einrichtung sichtlich überrascht.
»Ist das dein Boot?« fragte sie.
»Es gehört einem Freund von mir.«
Sie versuchte eine der Lampen einzuschalten, aber das Licht brannte nicht. Delaroche ging an Deck, entrollte das Stromkabel der Krista und schob den Stecker in die Steckdose an der Kanalmauer. Einen Augenblick später erhellte sanftes Licht den Salon.
»Hast du Geld?« fragte Delaroche, als er wieder nach unten kam.
»Der Alte hat mir etwas Geld gegeben«, antwortete sie. »Wer ist er übrigens?«
»Er ist der Direktor.«
»Der Direktor von was?«
»Der Direktor der Organisation, die euch hilft, den US-Botschafter zu ermorden.«
»Und wie heißt die?«
Delaroche gab keine Antwort.
»Du weißt nicht, wie sie heißt?«
»Doch, das weiß ich«, sagte er.
»Weißt du auch, wer ihr angehört?«
»Das habe ich mit viel Mühe herausgefunden.«
Sie ging durch den Salon und setzte sich auf die Kante von Astrids Bett. Delaroche schaltete den kleinen Heizlüfter ein.
»Hast du einen Namen?« fragte sie.
»Manchmal«, antwortete er.
»Wie soll ich dich nennen?«
»Hier kannst du wohnen, bis wir nach Amerika fahren«, sagte Delaroche, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Du brauchst Kleidung und Essen. Ich komme gegen abend wieder und bringe dir ein paar Sachen. Rauchst du?«
Sie nickte.
Delaroche warf ihr eine Packung Zigaretten zu. »Ich bringe dir noch mehr mit.«
»Danke«, sagte sie.
»Sprichst du außer Englisch weitere Sprachen?«
»Nein«, antwortete sie.
Delaroche atmete geräuschvoll aus und schüttelte dabei den Kopf.
»Im nordirischen Untergrund habe ich keine anderen Sprachen gebraucht.«
»Wir sind hier nicht in Nordirland«, sagte er. »Kannst du etwas gegen deinen Akzent machen?«
»Was stört dich an meinem Akzent?«
»Du könntest dir gleich einen orangeroten Schal umbinden.«
»Ich kann wie eine Engländerin reden.«
»Dann tu's bitte«, sagte er, polterte die Treppe hinauf und knallte die Tür hinter sich zu.
34
CIAZENTRALE • WASHINGTON
Eine Woche nachdem der Direktor und Delaroche in Amsterdam zusammengetroffen waren, kam Michael Osbourne zum erstenmal seit seiner Abreise aus London wieder ins CIA-Zentrum für Terrorismusbekämpfung in Langley. Er gab seinen Zugangscode an der elektronisch gesicherten Tür ein und betrat das CTC. Carter, der an seinem Schreibtisch über einem Stapel Akten brütete, sah zu ihm auf und runzelte irritiert die Stirn.
»Sieh da, Sir Michael geruht, uns mit seiner Gegenwart zu beehren«, sagte er.
»Das ist ein ehrenhalber verliehener Titel. ›Euer Majestät‹ genügt als Anrede völlig.«
Carter grinste. »Willkommen daheim. Du hast uns gefehlt.
Alles in Ordnung?«
»Könnte nicht besser sein.«
»Du hast zehn Minuten, um dich einzulesen. Dann brauche ich Cynthia und dich in meinem Büro.«
»Okay. Wir kommen in einer Viertelstunde.«
Michael ging den Abu Nidal Boulevard zu seinem Glaskasten entlang. Irgendein CTC-Witzbold hatte eine der Wände mit einem riesigen Union Jack geschmückt, und aus einem kleinen Kassettenrecorder drang leise »God Save the Queen«.
»Sehr witzig!« sagte Michael laut. Blaze und Eurotrash tauchten von Cynthia Martin und Gigabyte gefolgt auf. »Wir wollten es dir hier ein bißchen gemütlich machen, Sir Michael«, erklärte Blaze. »Damit dein Büro weniger an Langley und mehr an zu Hause erinnert, weißt du?«
»Sehr aufmerksam von euch.«
Blaze, Eurotrash und Gigabyte intonierten kehlig »He Is an Englishman« und zogen ab. Cynthia blieb da und nahm auf dem Stuhl vor Michaels Schreibtisch Platz. »Glückwunsch, Michael.
Das war wirklich ein toller Coup.«
»Danke, ich weiß das zu schätzen.«
»Insgeheim habe ich wohl gehofft, du würdest auf die Nase fallen. Nichts gegen dich persönlich, verstehst du?«
»Das ist immerhin ehrlich.«
»Ehrlichkeit war schon immer mein schwacher Punkt.«
Michael lächelte. »Mein Schwiegervater kommt einige Tage vor der Nordirlandkonferenz im Weißen Haus nach Washington. Er möchte etwas Zeit mit seinen Enkeln verbringen und im Kapitol alte Freunde besuchen. Am Abend vor der Konferenz geben wir ein kleines Abendessen. Hättest du nicht Lust, auch zu kommen? Ich weiß, daß Douglas
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