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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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wird dich verfolgen, hatte Wladimir damals gesagt. Er wird seine Mahlzeiten mit dir einnehmen, dein Bett mit dir teilen. Wenn dieser Fall eintritt, wird es Zeit für dich, deinen Beruf aufzugeben, denn ein Mann, der Gespenster sieht, kann nicht länger wie ein Profi agieren.
    Delaroche zahlte und verließ das Café. Als er in Richtung Nordsee weiterfuhr, verschlechterte sich das Wetter. Der Himmel bezog sich, und die Temperatur sank spürbar. Auf der ganzen Strecke nach Haarlem mußte er gegen steifen Gegenwind ankämpfen.
    Vielleicht hatte Wladimir recht gehabt. Vielleicht wurde es Zeit für ihn, aus dem Spiel auszusteigen, bevor es ihn das Leben kostete. Er konnte in den Mittelmeerraum zurückkehren, und er konnte seine Tage damit verbringen, mit dem Rennrad zu fahren und Bilder zu malen und auf seiner Terrasse hoch über dem Meer seinen Wein zu trinken - und zum Teufel mit Wladimir, seinem Vater, dem Direktor und allen anderen, die ihm dieses Leben aufgezwungen hatten. Vielleicht fand er sogar eine Frau, eine Frau wie Astrid Vogel, eine Frau, die selbst so viele gefährliche Geheimnisse hatte, daß er ihr seine anvertrauen konnte.
    Delaroche hatte schon einmal aussteigen wollen - Astrid und er hatten sich gemeinsam zur Ruhe setzen wollen -, aber nach Astrids Tod war ihm das sinnlos erschienen, und der Direktor hatte ihm ein glänzendes Angebot gemacht, das er unmöglich hatte ablehnen können. Delaroche arbeitete nicht aus Überzeugung für die Gesellschaft; er arbeitete für den Direktor, weil dieser ihn äußerst großzügig ho norierte und ihm Schutz vor seinen Feinden bot. Kündigte Delaroche der Gesellschaft aber die Zusammenarbeit auf, war er auf sich allein gestellt. Dann würde er selbst für seine Sicherheit sorgen oder sich einen neuen Paten suchen müssen.
    Er fuhr in Haarlem ein und überquerte den Fluß Spaarne.
    Nach Amsterdam waren es von hier aus vierundzwanzig Kilometer - eine gute Strecke den Nordseekanal entlang. Bei kräftigem Rückenwind und freier Fahrbahn brauchte er nur wenig mehr als eine halbe Stunde, um die Stadt zu erreichen.
    Auf dem Weg zur Herengracht ließ Delaroche sich viel Zeit.
    Bevor er seine Wohnungstür aufschloß, kontrollierte er, ob der kleine Papierstreifen, den er zwischen Tür und Rahmen gesteckt hatte, noch an seinem Platz war. Im Briefkasten lag eine weitere Nachricht der jungen Deutschen: Ich will dich wiedersehen, du Wichser! Eva.
    Er schaltete seinen Computer ein, stellte fest, daß er eine E-Mail hatte, öffnete sie und tippte seinen Decknamen ein. Die Nachricht war vom Direktor; er wollte sich morgen im Amsterdamer Vondelpark mit ihm treffen.
    Delaroche antwortete per E-Mail, er werde da sein.
    Am folgenden Morgen machte Delaroche einen Rundgang über den Albert Cuypmarkt am östlichen Kanalring. Er achtete genau darauf, ob er beschattet wurde, während er an Ständen vorbeischlenderte, an denen Obst, Fische aus der Nordsee, holländischer Käse und frische Schnittblumen angeboten wurden. Erst als er davon überzeugt war, nicht beschattet zu werden, ging er vom Markt zu dem weitläufigen Vondelpark im Amsterdamer Museumsviertel hinüber. Dort sah er den Direktor neben seiner großen Jamaikanerin auf einer Bank am Ententeich sitzen.
    Der Direktor hatte Delaroche nach der Gesichtsoperation in Athen nicht mehr gesehen. Obwohl Delaroche keinen Sinn für Spiele und ähnliche Belustigungen hatte - sein einsames, von Geheimhaltung geprägtes Leben hatte ihn der Möglichkeit beraubt, wirklich Humor zu entwickeln -, beschloß er, dem Direktor einen Streich zu spielen und gleichzeitig zu testen, wie wirkungsvoll Maurice Leroux sein Gesicht umgemodelt hatte.
    Er setzte seine Sonnenbrille auf und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. So trat er an den Direktor heran und bat ihn auf holländisch um Feuer. Der Direktor gab ihm ein schweres silbernes Feuerzeug. Delaroche zündete sich seine Zigarette an und gab ihm das Feuerzeug zurück. »Dank u«, sagte er dabei. Der Direktor nickte distanziert und steckte sein Feuerzeug wieder ein.
    Delaroche ging ein Stückchen weiter. Kurze Zeit später kam er zurück, setzte sich neben den Direktor und begann schweigend eine Birne zu essen, die er auf dem Albert Cuypmarkt gekauft hatte. Der Direktor und seine Begleiterin standen auf und setzten sich auf eine andere Bank. Delaroche sah ihnen neugierig nach; dann stand er ebenfalls auf und setzte sich wieder zu ihnen.
    Der Direktor runzelte die Stirn. »Hören Sie, ich verbitte

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