Der Botschafter
überschreien.
»Hören Sie gut zu, denn was ich mitzuteilen habe, sage ich nur einmal«, sagte der Anrufer. Eine gelassene, energische Männerstimme, notierte Clarke. »Ich vertrete die Ulster Freedom Brigade. Heute morgen hat ein Brigadeoffizier, der auf Befehl des Militärrats der Brigade geha ndelt hat, die Hinrichtung Ian Morris' durchgeführt. Die Ulster Unionists haben die protestantische Bevölkerung Nordirlands verraten, indem sie das Karfreitagsabkommen unterstützt haben. Die Ulster Freedom Brigade wird ihren Kampf fortsetzen, bis das Karfreitagsabkommen widerrufen wird.« Der Unbekannte machte eine Pause, bevor er fragte: »Haben Sie das alles?«
»Ja, ich hab's.«
»Gut«, sagte der Anrufer und legte auf.
Clarke blieb am Schreibtisch stehen und rief: »Eben ist ein Bekenneranruf im Fall Morris eingegangen!«
»Von wem?« fragte irgend jemand laut.
»Ulster Freedom Brigade«, sagte Clarke. »Mein Gott, jetzt bringen die Prods sich schon gegenseitig um!«
12
SHELTER ISLAND, NEW YORK
Elizabeth holte Michael vor dem British Airways Terminal auf dem Kennedy Airport ab. Er fühlte sich wie zerschlagen, was nach drei Langstreckenflügen in drei Tagen kein Wunder war, und hatte erstmals seit vielen Wochen wieder ziehende Schmerzen in der vernarbten Schußwunde in seiner Brust. Sein Mund war von zu vielen Zigaretten und zuviel Airlinekaffee pelzig. Als Elizabeth ihn in die Arme schloß, begnügte er sich mit einem flüchtigen Kuß unters Ohr. Eigentlich war er zu müde, um selbst zu fahren, aber erzwungene Untätigkeit fürchtete er noch mehr. Er stellte seinen Kleidersack in den Laderaum neben ein halbes Dutzend Windelpakete und ein Paket Milchpulver und setzte sich ans Steuer.
»Du siehst aus, als hättest du ein bißchen Sonne abbekommen, Michael«, sagte Elizabeth, als er in den Van Wyck Expressway einbog. Michael schaltete das Autoradio ein und wechselte von dem modernen Rockprogramm für Erwachsene, das Elizabeth gehört hatte, zu WCBS, weil er Verkehrsdurchsagen hören wollte. »In London muß während deines Aufenthalts eine richtige Hitzewelle gewesen sein.«
»Ich bin nicht die ganze Zeit in London gewesen.«
»Ach, wirklich?« fragte sie. »Wo zum Teufel hast du dich rumgetrieben?«
»Ich habe einen eintägigen Abstecher nach Kairo gemacht.«
»Du hast einen Abstecher nach Kairo gemacht? Was zum Teufel hat Kairo mit Nordirland zu tun?«
»Nichts«, gab er zu. »Ich mußte mit einem alten Freund etwas besprechen.«
»Was?«
Michael zögerte.
»Du arbeitest nicht mehr bei ihnen, also kannst du dich nicht mehr hinter ihren Vorschriften verstecken«, sagte sie eisig. »Ich möchte wissen, weshalb du nach Kairo geflogen bist.«
»Können wir darüber später reden?« sagte er. In Wirklichkeit hieß das Ich-will-keinen-Streit-vor-dem-Kindermädchen, das hinten bei den Zwillingen saß.
»Den Gesichtsausdruck kenne ich, Michael. Den hast du früher immer gehabt, wenn du von einem Einsatz zurückgekommen bist und mir nicht sagen durftest, wo du gewesen bist und was du gemacht hast.«
»Ich erzähle dir alles. Nur nicht jetzt gleich.«
»Nun, ich freue mich, daß du wieder da bist, Darling«, sagte Elizabeth. »Du siehst übrigens wundervoll aus. Sonnenbräune hat dir schon immer gut gestanden.«
Douglas schlief bereits, als sie Shelter Island erreichten.
Elizabeth und das Kindermädchen brachten die Kinder ins Bett.
Michael ging ins Schlafzimmer und packte seine Sachen aus.
Sein Haar roch nach Kairo - Dieselqualm, Staub und Holzrauch -, deshalb duschte er. Als er ins Schlafzimmer zurückkam, saß Elizabeth an ihrem Toilettentisch, nahm ihre Ohrringe ab und zog ihre Ringe von den Fingern. Er erinnerte sich an eine Zeit, in der sie manchmal eine Stunde am Toilettentisch verbracht und sich über ihr Aussehen und ihre Fähigkeit, es perfekt zu machen, gefreut hatte. Jetzt arbeitete sie rasch und mechanisch wie am Fließband. Seit Michael im Ruhestand lebte, tat er nichts mehr schnell. Hast bei anderen war ihm rätselhaft.
»Weshalb bist du nach Kairo geflogen?« fragte Elizabeth und bürstete mit kräftigen Strichen ihr Haar.
»Weil dort vor einigen Tagen ein Führer der Hamas ermordet worden ist.«
»Achmed Hussein«, sagte sie. »Davon habe ich in der Times gelesen.«
»Die Ausführung des Attentats hat mein Interesse geweckt, deshalb bin ich hingeflogen und habe mit einem alten Freund gesprochen.«
Er erzählte ihr von dem Treffen mit Jusuf Hafis. Er erzählte ihr von dem
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