Der Botschafter
der turmhohen Sendezentrale des staatlichen ägyptischen Fernsehens. Das Paprika war das Gegenstück zum Joe Allen in New York: ein Restaurant, in das Schauspieler und Autoren gingen, um zu sehen und gesehen zu werden, von ihresgleichen und den Ägyptern, die sich das recht mittelmäßige Essen leisten konnten. Eine Fensterfront führte auf den Parkplatz des Fernsehgebäudes hinaus. Die dortigen Tische waren am begehrtesten, weil man von ihnen aus manchmal einen Blick auf einen Schauspieler, eine Berühmtheit oder einen hohen Regierungsbeamten erhaschen konnte.
Michael hatte einen Tisch auf der weniger begehrten Seite des Restaurants bestellt. Er trank Mineralwasser, sah zu, wie die Sonne über dem Nil unterging, und dachte an den ersten Agenten, den er jemals angeworben hatte: einen in London stationierten syrischen Geheimdienstoffizier, der eine Schwäche für englische Mädchen und guten Champagner hatte. Die Agency verdächtigte ihn, er zweigte einen Teil seiner für operative Zwecke bestimmten Gelder für seine kostspieligen Liebhabereien ab. Michael sprach den Syrer an, drohte ihm wegen seiner Verfehlungen mit einer Anzeige bei seinen Vorgesetzten in Damaskus und brachte ihn so dazu, als bezahlter Spion für die CIA zu arbeiten. Der Agent lieferte wertvolle Informationen über die Unterstützung verschiedener arabischer und europäischer Terroristengruppen durch Syrien.
Zwei Jahre nach seiner Anwerbung lieferte der Syrer seine wertvollsten Informationen. Eine Terrorzelle der PLO hatte sich in Frankfurt eingenistet, um einen Bombenanschlag auf einen bei amerikanischen Soldaten beliebten Nachtclub zu verüben.
Michael gab diese Informationen an die Zentrale weiter, und Langley gab der deutschen Polizei einen Tip, die daraufhin die Palästinenser verhaftete. Der Syrer bekam für seine Informationen hunderttausend Dollar, und Michael wurde in einer geheimen Zeremonie die Distinguished Intelligence Medal verliehen. Leider mußte er diese Auszeichnung in einem Aktenschrank in der Zentrale eingesperrt lassen.
Jusuf Hafis betrat das Restaurant. Im Gegensatz zu dem Syrer war Hafis nicht gezwungen worden, sondern freiwillig zur Agency gekommen. Er sah wie ein füllig gewordener alternder Filmstar aus: zwanzig Pfund Übergewicht, graues Haar, noch immer markantes Gesicht, tiefe Falten um die Augen, wenn er lächelte. Als Oberst im ägyptischen Geheimdienst Muchabarat hatte Hafis die Moslembrüder, die hiesigen fundamentalistischen Rebellen, zu bekämpfen. Er hatte persönlich einige ihrer Anführer gefangengenommen und gefoltert. Angeworben hatte ihn die Residentur Kairo, aber Hafis weigerte sich mit in Kairo stationierten CIA-Leuten zusammenzuarbeiten, weil sein eigener Dienst sie zu strikt überwachte. Deshalb war Michael zu seinem Führungsoffizier ernannt worden. Hafis lieferte regelmäßig Informationen über den Stand der fundamentalistischen Rebellion in Ägypten und die weltweiten Aktivitäten ägyptischer Terroristen. Dafür wurde er sehr anständig bezahlt - und als unverbesserlicher Schürzenjäger brauchte er das Geld dringend. Hafis mochte jüngere Frauen, und sie mochten ihn. Er war der Überzeugung, nichts zu tun, was seinem Land schadete, und hatte daher kein Schuldbewußtsein.
Hafis sprach Michael auf arabisch an - laut genug, daß die Gäste an den Nebentischen ihn hören konnten -, und Michael folgte seinem Beispiel. Er erkundigte sich, was Michael nach Kairo führe, und Michael sprach von Geschäften in Kairo und Alexandrien. Im Restaurant herrschte kurzzeitig Aufregung, als eine berühmte ägyptische Schauspielerin aus ihrem Wagen stieg und im Fernsehgebäude verschwand.
»Wieso sind wir im Paprika?« fragte Michael. »Ich dachte, Ihr Stammlokal sei das Arabesque.«
»Das stimmt, aber wenn wir fertig sind, treffe ich mich hier mit jemandem.«
»Wie heißt sie denn?«
»Nennt sich Kassandra. Stammt aus einer griechischen Familie in Alexandrien. Sie ist das prachtvollste Weib, das ich je gesehen habe. In einer hiesigen Fernsehserie spielt sie eine Nebenrolle, ein kleines Biest, das immer Unruhe stiftet - im Rahmen unserer strengen islamischen Moralbegriffe, versteht sich.« Ein Ober kam an ihren Tisch. »Ich trinke als Aperitif einen Whisky. Wie steht's mit Ihnen, Mic hael?«
»Bitte ein Bier.«
Der Ober verschwand. »Wie alt ist sie?« fragte Michael.
»Zweiundzwanzig«, sagte Hafis stolz.
Der Ober servierte ihre Drinks. Hafis hob sein Glas Johnnie Walker.
»Cheers.«
Jusuf Hafis war das
Weitere Kostenlose Bücher