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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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dazu, Carter zu unterschätzen, was ihm in seiner Laufbahn - im Außendienst wie in Grabenkämpfen in der Zentrale schon häufig zum Vorteil gereicht hatte. Er war in vielen Sprachen zu Hause, träumte polyglott und wußte gar nicht mehr, in wie vielen Staaten er schon im Einsatz gewesen war.
    »Also, was zum Teufel hast du in London gemacht?« fragte Carter.
    Michael erzählte es ihm.
    »Hast du was Interessantes erfahren?«
    Michael berichtete, was er von Graham Seymour gehört hatte, ohne jedoch seine Quelle preiszugeben. In seiner typischen Art ließ Carter sich nicht anmerken, ob ihm irgendwelche Informationen neu waren. So verhielt er sich selbst Michael gegenüber. Die Bürowitzbolde im CTC, dem CIA-Zentrum für Terrorismusbekämpfung, pflegten zu behaupten, Carter lasse sich lieber foltern, als zu verraten, wo er mittags gegessen habe.
    »Und was führt dich nach New York?« fragte Michael.
    »Eine Sache in unserer hiesigen Station.« Carter machte eine Pause, während zwei Jogger - eine junge Frau und ein älterer Mann - an ihnen vorbeitrabten. »Eine kleine Umorganisation, die ich selbst überwachen wollte. Und ich wollte mal wieder mit dir reden.«
    »Warum?«
    »Jesus, Michael, wir kennen uns seit zwanzig Jahren«, sagte Carter mit der liebenswürdigen Gereiztheit, die bei ihm als Ärger galt. »Ich hätte nie gedacht, daß es falsch ausgelegt werden könnte, wenn ich auf einen Schwatz vorbeikomme, wenn ich schon mal in New York bin.«

    »Wieso laufen wir dann bei zehn Grad minus im Park herum?«
    »Weil ich gegen geschlossene, nicht nach Wanzen abgesuchte Räume allergisch bin.«
    Sie erreichten die Uhr an der alten Pumpstation am Südende des Sees. Eine Gruppe von Touristen, die Deutsch mit Wiener Akzent sprachen, machte dort Erinnerungsfotos. Michael und Carter bogen automatisch wie zwei Synchronschwimmer ab und überquerten eine hölzerne Fußgängerbrücke. Im nächsten Augenblick gingen sie den Park Drive hinter dem Metropolitan Museum entlang.
    »Wirklich nett vom Senat, daß er Douglas ohne Gegenstimmen nach London entsandt hat«, meinte Carter.
    »Das hat ihn auch überrascht. Er hat geglaubt, wenigstens einer seiner alten republikanischen Widersacher würde ihm die Party verderben wollen.«
    Carter hob seine behandschuhten Hände vor den Mund und blies kräftig hinein, um sein von der Kälte puterrotes Gesicht zu wärmen. Als leidenschaftlicher Golfspieler fand er den Winter deprimierend.
    »Aber du bist nicht hier, um mit mir über Douglas zu reden, stimmt's, Adrian?«
    Carter ließ die Hände sinken. »Na ja, ich habe mich gefragt, wann du wieder für uns arbeiten würdest. Ich brauche dich im CTC.«
    »Wieso brauchst du mich plötzlich?«
    »Weil du einer der seltenen Vögel bist, die locker zwischen Zentrale und Außendienst wechseln können. Ich möchte dich aus sehr eigennützigen Gründen wieder in meinem Team haben.«
    »Sorry, Adrian, aber ich bin draußen und will nicht wieder rein. Ich genieße mein jetziges Leben.«

    »Du langweilst dich fast zu Tode. Und wenn du etwas anderes behauptest, bist du ein Lügner.«
    Michael blieb stehen und starrte Carter wütend an. »Scheiße, wie kommst du dazu, hier aufzukreuzen und mich ...«
    »Schon gut«, sagte Carter beschwichtigend. »Meine Wortwahl ist vielleicht nicht glücklich gewesen, aber was zum Teufel hast du eigentlich in der letzten Zeit gemacht?«
    »Ich habe mich meiner Familie gewidmet, mich um meine Kinder gekümmert und versucht, erstmals in meinem Erwachsenenleben ein ganz normaler Mensch zu sein.«
    »Hast du einen Job in Aussicht?«
    »Nicht wirklich.«
    »Willst du jemals wieder arbeiten?«
    »Das weiß ich noch nicht«, sagte Michael. »Ich habe keine richtige Berufserfahrung, weil mein ›Arbeitgeber‹ eine CIA-Tarnfirma gewesen ist. Und ich darf keinem potentiellen Arbeitgeber erzählen, womit ich meinen Lebensunterhalt verdient habe.«
    »Warum willst du nicht heimkommen?«
    »Weil ich mir bei meinem letzten Besuch nicht wie daheim vorgekommen bin.«
    »Ich schlage vor, wir lassen alles hinter uns und machen einen neuen Anfang.«
    »Den Spruch hast du wohl aus einem Seminar über Personalführung?«
    Carter blieb stehen. »Direktor Tyler kommt heute abend nach New York. Du wirst gebeten, zum Abendessen zu erscheinen.«
    »Ich habe schon was vor.«
    »Michael, die Direktorin der Central Intelligence Agency möchte mit dir zu Abend essen. Du wirst deine Arroganz doch beiseiteschieben und trotz deines übervollen

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