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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Terminkalenders etwas Zeit dafür finden können.«
    »Tut mir leid, Adrian, aber du vergeudest nur deine Zeit - und die Direktorin auch. Das interessiert mich alles nicht mehr. Trotzdem ist's nett gewesen, mal wieder mit dir zu reden. Grüß Christine und die Kinder von mir.«
    Michael wandte sich ab und wollte davongehen.
    »Warum bist du in Kairo gewesen, wenn dich das alles nicht mehr interessiert?« fragte Carter. »Du bist hingeflogen, weil du glaubst, daß Oktober noch lebt. Und ich glaube es ehrlich gesagt auch.«
    Michael drehte sich um.
    »Ah, jetzt hörst du mir endlich mal zu«, sagte Carter.
    Monica Tyler hatte im Picholine in der West Sixtyfourth Street unweit des Parks den privaten Speiseraum reservieren lassen. Als Michael das Restaurant betrat, saß Carter allein am Ende der Bar und trank mit kleinen Schlucken ein Glas Weißwein. Er trug einen blauen Zweireiher, während Michael Jeans und einen schwarzen Blazer trug. Sie begrüßten sich wortlos und ohne Händedruck. Michael gab seinen Mantel an der Garderobe ab, und die beiden Männer folgten einer eleganten Hosteß durchs Restaurant.
    Der private Speiseraum im Picholine ist in Wirklichkeit die Weinstube: halbdunkel und kühl, mit Hunderten von Flaschen, die in wandhohen Regalen aus dunkel gebeizter Eiche lagern.
    Monica Tyler saß ins sanfte Licht der indirekten Beleuchtung gehüllt am Tisch und hatte eine aufgeschlagene Akte vor sich liegen. Als Carter und Michael hereinkamen, klappte sie die Akte zu und steckte ihre goldgeränderte Lesebrille weg.
    »Michael, wie schön, Sie wiederzusehen«, sagte sie. Dabei blieb sie sitzen und streckte ihm ihre rechte Hand in einem so merkwürdigen Winkel hin, daß Michael nicht wußte, ob er sie küssen oder schütteln sollte.

    Monica Tyler hatte Michaels Ausscheiden aus der Agency beschleunigt, weil sie interne Ermittlungen wegen seines Verhaltens nach dem Abschuß von Trans-Atlantic Flight 002 veranlaßt hatte. Damals war sie noch die Stellvertreterin des Direktors gewesen, aber ein halbes Jahr später hatte Präsident Beckwith sie zum CIA-Direktor ernannt. Beckwith hatte jene Phase der zweiten Amtszeit eines Präsidenten erreicht, in der es dem Amtsinhaber vor allem darum geht, sich einen Platz in der Geschichte zu sichern. Er glaubte, die Ernennung Monica Tylers zur ersten Frau an der Spitze der CIA werde dazu beitragen. Die Agency hat schon früher Neulinge überlebt, sagte sich Michael, sie wird auch Monica Tyler überleben.
    Monica bestellte eine Flasche Pouilly-Fuissé, ohne dazu einen Blick in die Weinkarte werfen zu müssen. Sie hatte diesen Raum für wichtige Besprechungen benützt, als sie noch an der Wall Street gearbeitet hatte. Als erstes versicherte sie Michael, ihr Gespräch sei strikt vertraulich. Während sie die Speisekarte studierten und überlegten, was sie bestellen sollten, machten sie Konversation über Washingtoner Politik und belanglosen Klatsch aus der Agency. Monica und Carter sprachen vor Michael, wie Eltern manchmal vor ihren Kindern sprechen - er gehörte der geheimen Bruderschaft nicht mehr an und war deshalb nicht völlig vertrauenswürdig. »Adrian hat mir erzählt, daß es ihm nicht gelungen ist, Sie zur Rückkehr in die Agency zu bewegen«, sagte Monica abrupt. »Deshalb bin ich hier.
    Adrian möchte Sie wieder im CTC haben, und ich möchte Adrian helfen, das zu bekommen, was er will.«
    Adrian möchte, daß Sie zurückkommen, dachte Michael.
    Aber was ist mit Ihnen, Monica?
    Sie hatte sich Michael zugewandt und fixierte ihn mit ihrem konzentrierten Blick. Irgendwann in ihrer steilen Karriere hatte Monica Tyler gelernt, ihre großen blauen Augen als Waffe einzusetzen. Sie waren ausdrucksvoll und konnten sich je nach Laune blitzschnell verändern. War sie interessiert, wurden die Pupillen durchscheinend und richteten sich mit fast therapeutischer Intensität auf ihren Gesprächspartner. War Monica irritiert - oder gelangweilt, was noch schlimmer war -, wurde ihr Blick eisig abweisend. War sie verärgert, glitten ihre Augen über das Opfer wie Scheinwerfer auf der Suche nach der besten Stelle für einen Angriff.
    Monica war ohne Erfahrungen auf dem Geheimdienstsektor nach Langley gekommen, aber Michael und die übrigen Mitarbeiter der Zentrale hatten rasch gelernt, wie gefährlich es sein konnte, Monica zu unterschätzen. Sie war eine unersättliche Leserin mit scharfem Verstand und dem unfehlbaren Gedächtnis einer Spionin. Außerdem war sie eine hochbegabte Lügnerin,

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