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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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rosa Besucherausweis fürs Instrumentenbrett - diese Farbwahl war Michael schon immer ein Rätsel gewesen - und erklärte ihm, wo der Besucherparkplatz lag.
    Als Michael das weiße Marmorfoyer durchquerte, hatte er das Gefühl, durch einen Raum aus seiner Kindheit zu schweben.
    Alles wirkte etwas kleiner und etwas schmuddeliger, als er es in Erinnerung hatte. Er ging quer über das in den Boden eingelassene CIA-Wappen. Er warf einen Blick auf die Statue Bill Donovans - der im Zweiten Weltkrieg mit dem Office of Strategie Services den Vorläufer der CIA gegründet hatte - und die Wand mit den vielen Sternen für CIA-Offiziere, die im Dienst ihr Leben gelassen hatten.
    Er trat an den Schreibtisch des Wachhabenden neben einer ganzen Reihe von High-Tech-Drehkreuzen, nannte seinen Namen und sagte, zu wem er wollte. Der Wachhabende wählte Adrian Carters Nummer und murmelte ein paar Worte ins Telefon. Dann legte er auf, musterte Michael mißtrauisch und bat ihn, auf einer der Polsterbänke im Foyer zu warten. Ein hübsches Mädchentrio in Jeans und Sweatshirts ging mit klappernden Absätzen durch die Drehkreuze. Die neue CIA, dachte Michael: der Kinderkreuzzug. Was hätte Wild Bill Donovan von diesem Laden gehalten? Plötzlich kam er sich steinalt vor.
    Carter lächelte untypis cherweise, als er nach zehn Minuten auf der anderen Seite der Sicherheitsbarriere erschien.
    »Sieh da, der verlorene Sohn kehrt zurück«, sagte Carter.
    »Lassen Sie ihn rein, Sam. Er ist ein Unruhestifter, aber verhältnismäßig harmlos.«
    »Wo hast du so lange gesteckt, verdammt noch mal?« fragte Michael.
    »Ich habe mit Monica telefoniert. Sie will bis morgen eine Analyse der Situation in Nordirland.«
    »Großer Gott, Adrian, dabei bin ich noch nicht mal an meinem Schreibtisch gewesen!«
    »Immer der Reihe nach, Michael.«
    »Nämlich?«
    »Zuerst mußt du natürlich zur Personalabteilung.«
    Carter lieferte Michael dort ab, und er unterzog sich drei Stunden lang dem traditionellen Aufnahmeritual, das die Voraussetzung für den Wiedereintritt in den Geheimdienst war.
    Er versicherte, daß er nicht die Absicht hatte, Geheimnisse an eine ausländische Macht zu verraten. Daß er weder unmäßig trank noch illegale Drogen nahm. Daß er nicht homosexuell war und keine anomalen sexuellen Vorlieben hatte. Daß er nicht mehr Schulden hatte, als er tilgen konnte. Daß er keine Eheprobleme hatte - außer denen, die mit meiner Rückkehr in die Agency zusammenhängen, sagte er sich. Nachdem er alle erforderlichen Schriftstücke gelesen und unterschrieben hatte, wurde er fotografiert und bekam einen neuen Dienstausweis, der in der Zentrale an einer Kette um den Hals getragen werden mußte. Er lauschte einem dämlichen Vortrag darüber, daß er seinen Dienstausweis nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen durfte. Und er erhielt nach durchgeführter Sicherheitsüberprüfung ein Kennwort, damit er Geheimunterlagen aus dem digitalisierten Ablagesystem der Agency einsehen konnte.
    Das CIA-Zentrum zur Terrorismusbekämpfung war in Michaels Abwesenheit aus den beengten Räumen im fünften Stock des alten Hauptgebäudes in ein Großraumbüro mit weißen Glaskästen im South Tower umgezogen. Als Michael es an diesem Vormittag betrat, erinnerte es ihn an die Schadensabteilung eines Versicherungskonzerns. Das CTC war in der Ära Reagan zur Bekämpfung von Terroranschlägen gegen Amerikaner und US-Einrichtungen im Ausland gegründet worden. Nach der in Langley gültigen Terminologie war es ein »Zentrum«, weil es mit Personal und Unterstützung der CIA-Abteilungen Beschaffung und Auswertung arbeitete. Hier arbeiteten auch Vertreter anderer Bundesbehörden wie der Drug Enforcement Administration, des Justizministeriums, der Küstenwache und sogar der Luftfahrtbehörde. Selbst das FBI, der Erzrivale der CIA, spielte im CTC eine wichtige Rolle, was zu Zeiten von Michaels Vater noch undenkbar gewesen wäre.
    Carter übte auf dem Teppichboden seines geräumigen Büros das Putten und sah Michael nicht hereinkommen. Alle anderen standen auf, um ihn zu begrüßen. Hier arbeitete Allan, ein gelehrt aussehender FBI-Buchhalter, der die geheimen Ströme schmutzigen Geldes durch die diskretesten und obskursten Banken der Welt verfolgte. Hier arbeitete Stephen alias Eurotrash, der die moribunden linken Terroristengruppen Westeuropas zu überwachen hatte. Und hier arbeitete Blaze, ein baumlanger Gringo aus New Mexico, der zehn verschiedene Indianerdialekte und jede Menge

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