Der Botschafter
sofort, das gesagt zu haben.
»Deinen Kindern geht's übrigens gut.«
Er stellte den Sandwichteller auf den Nachttisch und nahm Elizabeth mit sanfter Gewalt den Notizblock weg.
»Wie lange soll das noch weitergehen?« fragte er.
»Wie lange soll was weitergehen?«
»Das weißt du genau, Elizabeth. Ich möchte wissen, wie lange du mich wie einen Paria behandeln willst.«
»Ich kann nicht so tun, als sei ich glücklich über diese Entwicklung, Michael. Ich kann nicht so tun, als seien mein Job und die Kinder keine Belastung für mich und jetzt pendelt mein Ehemann auch noch zwischen New York und Washington hin und her.« Sie zündete sich eine Zigarette an und warf das Feuerzeug wütend auf den Nachttisch. »Ich hasse diesen Laden.
Ich hasse, was er dir antut. Ich hasse, was er uns antut.«
»Nächste Woche überreicht dein Vater in London der Königin sein Beglaubigungsschreiben. Ich muß unbedingt ein paar Tage nach London. Willst du nicht mitkommen, damit wir etwas Zeit füreinander haben?«
»Hör zu, ich kann nicht einfach nach London Jetten«, fauchte Elizabeth. »Mein Prozeß beginnt bald. Ich habe Kinder. Du hast Kinder, falls du das vergessen hast.«
»Natürlich habe ich das nicht vergessen.«
»Du bist gerade erst in London gewesen. Warum mußt du schon wieder hin?«
»Ich muß ein paar alte Kontakte wiederbeleben.«
»In London?«
»Nein, in Belfast.«
16
LONDON
Die Residenz des US-Botschafters in Großbritannien ist das Winfield House, ein Klinkergebäude im georgianischen Stil, das auf einem fast fünf Hektar großen Grundstück mitten im Londoner Regent's Park steht. Barbara Hutton, die Erbin des Woolworth-Vermögens, ließ die Villa 1934 erbauen, als sie mit ihrem Ehemann, dem dänischen Grafen Haugwitz-Reventlow, nach London zog. Sie ließ sich 1938 von dem Grafen scheiden und kehrte in die Vereinigten Staaten zurück, wo sie Cary Grant heiratete. Nach dem Zweiten Weltkrieg verkaufte sie Winfield House der amerikanischen Regierung für einen Dollar, und Botschafter Winthrop Aldrich bezog es 1955 als erster.
Obwohl Douglas Cannon bei früheren offiziellen Besuchen in London schon zweimal im Winfield House gewohnt hatte, war er am ersten Tag, der ihm zur Eingewöhnung diente, wieder von der Eleganz und Größe überwältigt. Während er durch die großen Salons im Erdgeschoß schritt, konnte er kaum glauben, daß Barbara Hutton sich diese Villa als privaten Wohnsitz hatte erbauen lassen.
Als Michael zwei Tage später eintraf, führte Douglas seinen Schwiegersohn durch die riesigen Räume und präsentierte ihm Einrichtung und Ausstattung, als habe er sie selbst ausgesucht und bezahlt. Er hatte eine Vorliebe für den Green Room, einen großen lichtdurchfluteten Raum mit Blick auf den Seitengarten und einer handgemalten chinesischen Tapete, die sorgfaltig von den Wänden eines irischen Schlosses abgelöst und als Beute nach London geschafft worden war. Hier konnte er unter den riesigen Chippendale-Spiegeln am Kamin sitzen und die Pfauen und Kaninchen in den Senken unter den alten Weiden beobachten.
In dem riesigen Haus war es so still, daß Michael am Morgen des Tages, an dem Douglas sein Beglaubigungsschreiben überreichen würde, durch die aus der Ferne herüberdringenden Glockenschläge des Big Ben geweckt wurde. Während er am Fenster eines Gästezimmers im ersten Stock stehend seinen Cut anzog, sah er einen Fuchs, der sich auf dem noch halb im Dämmerlicht liegenden Rasen an einen Schwan anschlich.
Sie fuhren in Douglas' Dienstwagen zur Botschaft, begleitet von Leibwächtern der Special Branch. Kurz vor elf war der Grosvenor Square erfüllt vom Klappern der Hufschläge. Ein Blick aus dem Fenster zeigte Michael den Marschall des Diplomatischen Korps, der in der ersten von drei Kutschen eintraf. Das Botschaftspersonal applaudierte, als Douglas den Aufzug verließ und durch ein Spalier aus Marineinfanteristen ins Freie trat.
Der neue Botschafter bestieg die erste Kutsche und setzte sich neben den Marschall. Michael fuhr mit drei leitenden Mitarbeitern der US-Botschaft in der dritten Kutsche. Einer dieser drei war David Wheaton, der CIA-Stationschef in London. Wheaton war aus Überzeugung anglophil; in seinem Cut und mit Pomade im Haar sah er aus, als bewerbe er sich um eine Rolle in Wiedersehen mit Brideshead. Wheaton hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß er Michael Osbourne nicht ausstehen konnte. Vor vielen, vielen Jahren hatte Wheaton für Michaels Vater gearbeitet und
Weitere Kostenlose Bücher