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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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die Nahrungskette entlang weiterleiten«, sagte Wheaton. »Weißes Haus und Außenministerium müssen ihn erst absegnen. Das kann ein paar Stunden dauern.«
    »Was ist mit der Frau?« erkundigte Michael sich.
    »Wir haben sie heute morgen beschattet, als sie McDaniels' Wohnung verlassen hat«, antwortete Graham. »Sie hat ihm die Wahrheit gesagt, denn sie wohnt tatsächlich in Earl's Court. Ist dort vor ein paar Wochen eingezogen. Eines unserer Teams überwacht die Wohnung.«
    »Was macht sie jetzt?«
    »Sie scheint zu schlafen.«
    »Freut mich, daß wenigstens irgend jemand etwas Schlaf bekommt«, sagte Wheaton.
    Er griff nach dem Telefonhörer und gab eine Kurzwahlnummer ein, um über die abhörsichere Verbindung mit Monica Tyler in Langley zu sprechen.
    »Das ist alles Ihre Idee gewesen, stimmt's?« fragte Preston McDaniels. »Sie sind ein richtiger Scheißkerl. Das sieht man Ihnen an.«
    Die beiden saßen auf einer Bank im Hyde Park mit Blick über die Serpentine. Böiger Wind bewegte die Weiden und kräuselte die Wasserfläche des Sees. Über ihnen trieben regenschwere Wolken dahin. Michael versuchte festzustellen, wer McDaniels in Grahams Auftrag beschattete. War es der Mann, der den Enten Brotbrocken zuwarf? Die in einen Roman von Josephine Hart vertiefte Frau auf der nächsten Bank? Oder vielleicht der schlaksige junge Mann im dunkelblauen Anorak, der auf dem Rasen Tai-Chi- Ubungen machte?
    Vor zwanzig Minuten hatte Michael McDaniels den Videofilm gezeigt, auf dem seine Geliebte sich in sein Arbeitszimmer schlich und seinen Aktenkoffer durchwühlte.
    McDaniels hatte sich dabei fast übergeben müssen. Er hatte das Bedürfnis nach frischer Luft geäußert, deshalb waren sie schweigend durch Mayfair und den Hyde Park gegangen, bis sie diesen Platz am See erreicht hatten. McDaniels zitterte so heftig, daß Michael beinahe spürte, wie die Parkbank vibrierte. Er wußte noch gut, wie ihm zumute gewesen war, als er erfahren hatte, daß Sarah Randolph für den KGB gearbeitet hatte. Er hatte versucht, sie zu hassen, aber es hatte nicht funktioniert.
    Vermutlich erging es Preston McDaniels genauso, wenn er an die Frau dachte, die er als Rachel Archer kannte.
    »Haben Sie wenigstens etwas geschlafen?« erkundigte er sich mitfühlend.
    »Natürlich nicht!« Ein Windstoß zerzauste sein graues Haar und legte die kahle Stelle frei. McDaniels strich sich mit einer reflexartigen Bewegung das Haar glatt. »Wie hätte ich schlafen können, wenn ihr Hundesöhne jeden meiner Atemzüge belauscht?«
    Michael war es nur recht, wenn er glaubte, sie beobachteten jede seiner Bewegungen und belauschten jede seiner Äußerungen. Er zündete sich eine Zigarette an und bot auch McDaniels eine an.
    »Widerliche Angewohnheit«, schnaubte McDaniels und machte eine abwehrende Handbewegung. Er starrte Michael wie einen Unberührbaren an.
    Michael störte das nicht; für McDaniels war es gut, sich für einen Augenblick überlegen fühlen zu können, selbst in einer so trivialen Sache.
    »Wie lange noch?« fragte er jetzt. »Wie lange muß ich noch mitspielen?«
    »Nicht lange«, sagte Michael beiläufig, als habe McDaniels gefragt, wie lange sie auf den nächsten Bus warten müßten.
    »Mein Gott, warum kann man von euch nie eine klare, eindeutige Antwort bekommen?«
    »Weil es in diesem Beruf nur sehr wenige klare, eindeutige Antworten gibt.«
    »Das ist Ihr Beruf, nicht meiner.« McDaniels wedelte heftig mit einer Hand. »Jesus! Machen Sie das verdammte Ding aus, ja?«
    Michael ließ seine Zigarette fallen und trat sie aus.
    »Wer ist sie?« fragte McDaniels weiter. »Was ist sie?«
    »Was Sie betrifft, ist sie Rachel Archer, eine erfolglose Bühnenautorin, die im Ristorante Riccardo als Serviererin arbeitet.«
    »Verdammt, ich will's aber wissen! Ich muß es wissen! Ich will die Gewißheit haben, daß diese ganze scheußliche Sache vielleicht doch noch etwas Gutes bewirken kann.«
    Michael konnte nicht bestreiten, daß McDaniels' Forderung logisch war. Agentenführung hatte oft mit Motivation zu tun, und wenn McDaniels dieses Unternehmen durchstehen sollte, brauchte er etwas Aufmunterung.
    »Wie sie wirklich heißt, wissen wir nicht«, sagte Michael.
    »Zumindest vorläufig noch nicht. Aber wir werden es herausbekommen. Sie gehört der Ulster Freedom Brigade an, die ein Attentat auf meinen Schwiegervater plant. Sie hat sich an Sie herangemacht, um Zugang zu seinem Terminplan zu erhalten und den besten Zeitpunkt für das Attentat festlegen

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