Der Botschafter
zu können.«
»Gott, wie konnte sie nur? Sie ist ein so wundervoller ...«
»Sie ist nicht der Mensch, für den Sie sie halten.«
»Wie konnte ich bloß so dämlich sein?« McDaniels starrte blicklos in die Ferne. »Ich habe gewußt, daß sie zu jung für mich ist. Daß sie zu hübsch ist. Aber ich habe mir wirklich eingebildet, sie habe sich in mich verliebt.«
»Daraus macht Ihnen niemand einen Vorwurf«, log Michael.
»Was passiert also, wenn alles vorbei ist?«
»Sie tun weiter Ihre Arbeit, als sei nichts passiert.«
»Wie soll ich das können?«
»Das wird leichter sein, als Sie denken«, versicherte Michael ihm.
»Und was wird aus ihr, wer immer sie ist?«
»Das wissen wir noch nicht«, sagte Michael.
»Doch, das wissen Sie genau. Sie wissen alles. Sie stellen ihr eine Falle, nicht wahr?«
Michael stand ruckartig auf, um zu signalisieren, er müsse jetzt gehen. McDaniels blieb sitzen.
»Wie lange?« fragte er. »Wie lange dauert das alles noch?«
»Weiß ich nicht.«
»Wie lange?« wiederholte er.
»Nicht lange.«
Später an diesem Nachmittag saß Michael in Wheatons Büro und ging den geänderten Terminplan des amerikanischen Botschafters durch - mit seinem Privatbesuch am kommenden Wochenende auf dem Landsitz eines alten Freundes in Norfolk.
Auf Wunsch des Botschafters war nur ein Minimum an Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen: Er würde lediglich von einem Zweimannteam der Special Branch ohne amerikanische Unterstützung begleitet werden. Michael las den Entwurf durch, dann reichte er ihn Wheaton über den Schreibtisch.
»Glauben Sie, daß sie anbeißen?« fragte Wheaton.
»Das sollten sie.«
»Wie hält unser Mann sich unter Streß?«
»McDaniels?«
Wheaton nickte.
»Den Umständen entsprechend.«
»Und das bedeutet?«
»Daß uns nicht mehr allzuviel Zeit bleibt.«
»Dann können wir nur hoffen, daß unser Plan funktioniert.«
Wheaton gab Michael den Terminplan zurück.
»Den legen Sie in seinen Aktenkoffer, damit McDaniels ihn heute abend mit nach Hause nimmt.«
Kurz nach vier Uhr am nächsten Morgen schlüpfte Rebecca Wells aus Preston McDaniels' Bett und ging barfuß in sein Arbeitszimmer hinüber. Sie setzte sich an den Schreibtisch, öffnete lautlos seinen Aktenkoffer und nahm einen Stapel Unterlagen heraus. An den Terminplan des Botschafters, der offizielle Veranstaltungen betraf, war ein längeres Memo über ein privates Wochenende auf einem Landsitz in Norfolk angeheftet.
Rebecca fühlte ihr Herz in der Brust hämmern, während sie das Memo las.
Die Gelegenheit war ideal: ein abgelegener Ort und reichlich Vorwarnzeit, um alles planen zu können. Sie zwang sich dazu, alle Details in Ruhe abzuschreiben. Sie durfte keinen Fehler machen.
Als sie fertig war, empfand sie glühenden Stolz. Sie hatte gute Arbeit geleistet - so wie zuvor in Belfast. Eamonn Dillon war wegen der Informationen tot, die sie Kyle Blake und Gavin Spencer geliefert hatte, und Botschafter Douglas Cannon würde ebenfalls bald tot sein.
Sie machte das Licht aus und kehrte ins Bett zurück.
Im Basislager am Evelyn Square standen Michael Osbourne und Graham Seymour vor den Bildschirmen. Sie beobachteten, wie sie sorgfaltig alle Einzelheiten des Memos über die Reise des Botschafters nach Norfolk abschrieb. Ihre Aufregung über diese Entdeckung war fast körperlich zu spüren. Als sie das Licht ausknipste und den Raum verließ, wandte Graham sich an Michael. »Glaubst du, daß sie angebissen hat?«
»Hundertprozentig.«
Am nächsten Tag beschatteten sie die Frau. Sie folgten ihr zu dem schäbigen kleinen Café in Nähe der U-Bahnstation Earl's Court, wo sie sich zum Frühstück Tee und ein süßes Brötche n bestellte. Sie hörten mit, als sie Riccardo Ferrari im Restaurant anrief und ihm erklärte, sie müsse ein paar Tage freinehmen - drei, höchstens vier -, damit sie sich um ihre schwerkranke Tante in Newcastle kümmern könne. Riccardo überschüttete sie lautstark mit Verwünschungen, erst auf italienisch, dann auf englisch, das er mit starkem Akzent sprach. Aber er gewann die Sympathien von Graham Seymours Lauschern, als er abschließend sagte: »Kümmern Sie sich um Ihre arme Tante, Rachel. Nichts ist wichtiger als die eigene Familie. Lassen Sie sich Zeit und kommen Sie zurück, sobald Sie können.«
Dann hörten sie mit, wie sie Preston McDaniels in der US-Botschaft anrief und ihm mitteilte, sie müsse für ein paar Tage verreisen. Sie hielten den Atem an, als McDaniels fragte, ob sie sich
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