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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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formulierten Kabel an die Zentrale argumentierte er, dies sei ein Londoner Unternehmen, das enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Diensten erfordere; daher müsse das CTC den Fall an London abgeben. Monica Tyler zog sich in die Höhenluft der sechsten Etage zurück, um über ihre Entscheidung nachzudenken. Unterdessen mobilisierte Wheaton alte Freunde, um sie zu seinen Gunsten intervenieren zu lassen.
    Mit der Begründung, Michael sei erst vor kurzem in die Agency zurückgekehrt und operativ vermutlich noch nicht wieder ganz auf der Höhe, entschied Monica sich letztlich für Wheaton. Er würde das Unternehmen leiten, und Michael sollte zu seiner Unterstützung in London bleiben.
    Preston McDaniels Einsatz begann noch an diesem Abend.
    Von Wheatons Schreibtisch aus rief er im Ristorante Riccardo in der Park Lane an und verlangte Rachel Archer. Eine Stimme mit italienischem Akzent erklärte ihm, sie sei jetzt nicht zu sprechen - »Wir haben abends Hochbetrieb, wissen Sie« -, aber McDaniels sagte, er müsse sie dringend sprechen, und wenig später meldete sie sich. Ihr Gespräch dauerte genau zweiunddreißig Sekunden; Michael und Wheaton stoppten die Zeit, schnitten das Gespräch mit und hörten es sich noch ein dutzendmal an, um weiß Gott welche Nuancen herauszufinden.
    McDaniels erklärte ihr, er könne heute leider nicht auf einen Drink vorbeikommen, weil er noch zu arbeiten habe. Die Frau äußerte leichte Enttäuschung, während im Hintergrund Geschirr zerschellte und Riccardo Ferrari italienische Verwünschungen kreischte. McDaniels fragte, ob sie sich später sehen könnten.
    Die Frau antwortete, sie werde nach der Arbeit vorbeikommen, und legte auf.
    Die Aufnahme wurde via Satellit nach Langley übermittelt und MI5 und MI6 auf altmodische Weise - per Motorradkurier - zugestellt. Ein beim MI5 tätiger Linguist stellte fest, ihr englischer Akzent sei nicht echt. Die Frau stamme vielmehr aus Nordirland - irgendwo aus der Nähe von Belfast.
    Wheaton traute McDaniels nicht recht. Er bestand darauf, daß er auf Schritt und Tritt optisch und akustisch überwacht wurde.
    Der MI5 nahm sich seine Wohnung in South Kensington vor und installierte in sämtlichen Räumen Kameras und Mikrofone.
    Nur im Schlafzimmer gab. es keine Kamera; Michael fand, ein Mikrofon genüge, und Wheaton stimmte widerstrebend zu. Zwei Beschatter vom MI5, ein älterer Mann und eine hübsche junge Frau, wurden ins Ristorante Riccardo entsandt. Wie es der Zufall wollte, wurden sie von der Zielperson bedient. Sie empfahl ihnen das Kalbfleisch mit Marsala und Sahne, das die beiden als himmlisch lobten.
    Als Basislager sicherte der MI5 ihnen rasch eine große möblierte Wohnung in Evelyn Gardens, ganz in der Nähe von McDaniels' Wohnung. Als Michael und Wheaton am späten Abend hinkamen, schlugen ihnen Currydunst und Zigarettenqualm entgegen. Im Wohnzimmer hockten ein halbes Dutzend Techniker vor ihren Empfängern und Monitoren.
    Gelangweilte Beschatter saßen vor einem flimmernden Fernseher und sahen sich einen gräßlich langweiligen BBC-Dokumentarfilm über die Wandergewohnheiten von Grauwalen an. Graham Seymour saß in der Ecke am Klavier und spielte leise.
    McDaniels' Wohnung war so gründlich mit Wanzen gespickt, daß das Klingeln, mit dem Rachel Archer sich ankündigte, wie der Feueralarm in einem Hotel klang. »Showtime!« verkündete Wheaton, und sie versammelten sich vor den Monitoren - alle außer Graham, der am Klavier blieb und die letzten Takte von »Clair de lune« spielte.
    Letzte Zweifel, ob Preston McDaniels auch durchhalten würde, wurden durch den langen Kuß beseitigt, mit dem er sie an der Wohnungstür begrüßte. Er schenkte Drinks ein - Weißwein für sie, einen sehr großen Whisky für sich -, und sie saßen auf der Couch im Wohnzimmer und plauderten genau vor einer der versteckten Videokameras. Als sie sich zu küssen begannen, fürchtete Michael schon, sie werde ihn auf der Couch lieben, aber McDaniels bremste sie rechtzeitig und zog sie mit sich ins Schlafzimmer. Michael fand, sie habe Ähnlichkeit mit Sarah Randolph, und fragte sich, ob er etwas von McDaniels an sich hatte.
    »Wir brauchen einen Deckname n«, sagte Wheaton, um irgendwie von den jetzt aus den Lautsprechern dringenden Geräuschen abzulenken. »Wir haben keinen Decknamen.«
    »Mein Vater ist im Krieg an einem ähnlichen Unternehmen beteiligt gewesen«, sagte Graham, wobei seine Finger weiter leicht über die Tasten glitten. »Im Auftrag des MI5 hat ein

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