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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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erledigt, endgültig erledigt. Denken Sie daran, Gentlemen.«

27 
    AN DER KÜSTE VON NORFOLK, ENGLAND
     
    Der Landsitz Hartley Hall liegt zwei Meilen von der Nordsee entfernt südöstlich der Kleinstadt Cromer. Ein normannischer Adeliger hatte dort im dreizehnten Jahrhundert das erste Herrenhaus erbaut. Unter dem gegenwärtigen Bau, in dem Labyrinth aus Kellern und Passagen, gab es überall noch mittelalterliche Gewölbe und Durchgänge. 1625 baute der Kaufherr Robert Hartley aus Norwich auf den Fundamenten des normannischen Herrenhauses ein Landhaus im Stil Jakobs I. Um es gegen die Nordseestürme abzuschirmen, ließ er im Norden seines Besitzes Tausende von Bäumen in den sandigen Boden pflanzen, obwohl er wußte, daß es Generationen dauern würde, bis sie herangewachsen waren und ihre Schutzfunktion erfüllen konnten. So war der North Wood entstanden: achtzig Hektar mit Fichten, schottischen Tannen, Ahornen, Platanen und Buchen.
    Botschafter Cannon bewunderte die Bäume, während seine kleine Autokolonne durch diesen Wald fuhr. Im nächsten Augenblick kam Hartley Hall in Sicht.
    Sir Nicholas Hartley, ein Nachfahre Robert Hartleys, trat auf sie zu, als die Wagen auf der kiesbestreuten Auffahrt hielten. Er war ein großer Mann mit breiter Brust und sandfarbenem Haar, das ihm in die Stirn fiel. Seine beiden Setter tollten um ihn herum. Douglas stieg aus der zweiten Limousine und ging die wenigen Schritte mit ausgestreckter rechter Hand auf Sir Nicholas zu. Die beiden Männer begrüßten sich, als wäre Douglas der Besitzer des benachbarten Herrenhauses und käme seit fünfzig Jahren zu Besuch nach Hartley Hall.
    Hartley schlug einen kleinen Spaziergang vor, obwohl die Temperatur bei kaum fünf Grad lag und es rasch Abend wurde.
    Da er von seinem Vermögen lebte und außer der Erforschung der Geschichte seines Familiensitzes kaum andere Interessen hatte, hielt er Douglas einen sachkundigen Vortrag, als sie einen Rundgang um Hartley Hall machten. Die beiden Leibwächter von der Special Branch folgten ihnen in dezentem Abstand, und ihnen wiederum die Hunde.
    Sie bewunderten die Südfassade, die Baumeister Robert Lyminge aus Norfolk entworfen und ausgeführt hatte, und schlenderten den mit Glyzinien bewachsenen Ostflügel mit seinen großen Sprossenfenstern und Dachgauben entlang. Sie warfen einen Blick in die prächtige Orangerie, in der Orangen-und Zitronenbäume in großen Pflanzkübeln überwinterten.
    Hinter dem von einer Mauer umgebenen Park lag das Hirschgehege, in dem früher bis zu dreihundert Stück Rotwild aufgezogen worden waren. Sie folgten dem Fußweg nach Süden, der sie an den Stallungen und einer Terrasse mit Dienstbotenhäusern vorbeiführte. Auf einem kleinen Hügel stand die fünfhundert Jahre alte St. Margaret's Church als schwarze Silhouette in der bläulichen Abenddämmerung. Um die Kirche verstreut lagen die Ruinen eines Dorfs, das im fünfzehnten Jahrhundert während der Pest aufgegeben worden war.
    Als die beiden Männer wieder vor der Südfassade anlangten, war es bereits dunkel geworden. Durch die hohen geteilten Fenster fiel Licht in kleinen Flecken auf die Auffahrt. Sie traten durch die mit Bossenwerk verzierte Tür in die große Eingangshalle des Hauses. Douglas bewunderte die englischen Glasfenster aus dem siebzehnten Jahrhundert, Hartleys Ahnengalerie und den Eichenholzschreibtisch unter einem der Fenster. Er nahm seinen Gastgeber für sich ein, indem er den Tisch als erster amerikanischer Besucher richtig in die flämische Renaissance einordnete.
    Sie gingen durch den Speisesaal mit dem üppigen Rokokostuck in den Salon hinüber. Dort standen sie mitten im Raum und verrenkten sich die Hälse, um den reichen Deckenstuck aus Rosen, Orangenblüten, Trauben, Birnen und Granatäpfeln zu bewundern. »Diese Wandsegmente sind unseren jagdbaren Vögeln gewidmet«, sagte Hartley, wobei er mit seinem langen Arm wie mit einer Flinte zielte. »Wie Sie sehen, gibt es bei uns Rebhühner, Fasane, Kiebitze und Schnepfen.«
    »Wirklich prachtvoll«, murmelte Douglas.
    »Aber Sie sind bestimmt erschöpft, und ich könnte den ganzen Abend lang weitererzählen«, sagte Hartley. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Vielleicht möchten Sie sich etwas frisch machen und vor dem Abendessen ein paar Minuten entspannen.«
    Sie stiegen die breite Mitteltreppe hinauf und gingen oben im Korridor an mehreren geschlossenen Türen vorbei. Hartley führte Douglas in das sogenannte chinesische Schlafzimmer mit

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