Der Botschafter
ungehindert in Richtung Hartley Hall abziehen.
Um 3.50 Uhr beobachteten die Techniker, die vor den Bildschirmen der Infrarotkameras saßen, sekundenlang zwei Terroristen, die sich dem Haus näherten - einen unter den Bäumen des Hirschgeheges, einen zwischen den Ruinen des Dorfs auf dem Weg zur St. Margaret's Church.
Um 3.58 Uhr verließ James Fletcher sein Versteck im französischen Garten und lief den Kiesweg zur Orangerie entlang. Vor seinem Eintritt in die Brigade hatte Fletcher der Ulster Defense Association angehört, einer gewalttätigen paramilitärischen Organisation der Protestanten. Er war einer ihrer besten Killer gewesen, der mindestens ein halbes Dutzend IRA-Angehörige getötet hatte. Mit der UDA hatte er gebrochen, als sie während der Friedensverhandlungen einem Waffenstillstand zugestimmt hatte. Als Gavin Spencer ihn gefragt hatte, ob er nicht in die neue Ulster Freedom Brigade eintreten wolle, hatte Fletcher sofort ja gesagt. Als erbitterter Katholikenhasser wollte er Ulster zu einer protestantischen Provinz für protestantische Bürger machen. Außerdem wollte er unbedingt der sein, der den Botschafter ermordet hatte, deshalb mißachtete er Spencers Befehl, bis vier Uhr zu warten, und trabte schon zwei Minuten früher los.
Fletcher trug eine Sturmhaube, einen schwarzen Overall und schwarze Trainingsschuhe mit Gummisohlen. Der Kies knirschte unter seinen Schritten, als er sich dem Haus so leise wie möglich näherte. Er erreichte eine der Fenstertüren der Orangerie und drückte die Klinke herab, aber die Tür war von innen verriegelt. Er trat einen halben Schritt zurück und rammte den Kolben seiner Uzi durch die Scheibe neben dem Riegel.
Innen regneten Glassplitter auf den gefliesten Boden.
Als er nach dem Türriegel greifen wollte, hörte er Schritte im Kies hinter sich. Er zog rasch seine Hand zurück und legte sie an die Uzi. Aber bevor er sich umdrehen und schießen konnte, sagte eine Stimme mit englischem Akzent: »Weg mit der Waffe, Hände auf den Kopf! So ist's recht.«
Fletcher überlegte rasch, wie groß seine Chancen waren, das Duell gegen den Mann zu gewinnen. War er Angehöriger der Special Branch, war Fletcher ihm an Feuerkraft sicher weit überlegen, obwohl die zum Personenschutz eingesetzten Männer berüchtigt gute Schützen waren. Andererseits trug er unter seinem Overall eine Kevlarweste und konnte praktisch alles außer einem Kopfschuß überleben. Außerdem wußte er, daß er den Rest seines Lebens vermutlich in englischen Gefängnissen verbringen würde, wenn er hier verhaftet wurde.
Deswegen duckte James Fletcher sich plötzlich, warf sich herum und riß seine Waffe hoch. Obwohl er den Mann nur flüchtig sah, erkannte er sofort, daß der andere kein Beamter der Special Branch war. Vor ihm stand ein SAS-Mann, was bedeutete, daß sie geradewegs in eine Falle getappt waren - eine Falle, in die auch die IRA schon mehrmals mit katastrophalen Folgen geraten war.
Fletcher erkannte auch, daß er sich gerade fatal verrechnet hatte.
Aus der Maschinenpistole des Soldaten kam nur ein dumpfes Klicken. Aber Fletcher wußte, daß er schoß, weil er das Mündungsfeuer sah. Die Geschosse zerfetzten seinen Overall, durchschlugen seine Kevlarweste, zerschmetterten sein Rückgrat und rissen ein gähnendes Loch in seinen Herzmuskel.
Er fiel rückwärts, krachte durch die Fenstertür und blieb auf dem Boden der Orangerie liegen.
Sekunden später beugte der SAS-Mann sich über Fletcher, packte ihn grob am Hals und versuchte seinen Puls zu fühlen.
Dann griff er sich die Uzi und verschwand, während James Fletcher starb.
Edward Mills hörte das Klirren der eingeschlagenen Scheibe, als er durch die Ruinen in der Umgebung der St. Margaret's Church trabte. Er hatte noch immer den schlanken, sehnigen Körper, mit dem er als Schüler viele Cross-Country-Rennen gewonnen hatte, und sprang leichtfüßig über Trümmerhaufen und niedrige Mauerreste hinweg. Wie Fletcher trug er eine Sturmhaube und einen schwarzen Overall. Vor ihm ragte die St. Margaret's Church auf. Mills folgte dem alten Fußweg, der vom Dorf zur Kirche führte.
Obwohl er noch nie an einem Einsatz dieser Art teilgenommen hatte, fühlte er sich überraschend ruhig. Er war Mitglied des Oranierordens - sein Vater war wie schon sein Großvater vor ihm Standartenträger seiner Loge in Portadown gewesen -, aber er hatte die paramilitärischen Gruppen bis zum Sommer vergangenen Jahres gemieden. Damals hatten RUC und Army den
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