Der Botschafter
Berufsverkehr ein. Aber dann hallte das Tuckern eines kleinen Außenbordmotors übers Wasser. Im nächsten Augenblick tauchte ein winziges Schlauchboot aus dem Nebel über der Bay auf.
Während das Boot näherkam, versuchte Rebecca den mit der Ruderpinne in der Hand im Heck sitzenden Mann zu erkennen.
Es war Gavin Spencer. Er kippte den Außenbordmotor nach vorn, damit die Schraube keine Grundberührung bekam, und ließ das Boot am Strand auflaufen. Rebecca rannte darauf zu und ergriff die Bugleine, die Gavin ihr zuwarf.
»Um Himmels willen, was machst du hier?« fragte sie.
»Ich wollte mit dabeisein.«
»Weiß Kyle davon?«
»Er erfährt's früh genug, nicht wahr?« Spencer kletterte aus dem Schlauchboot und hob den Seesack aus dem Bug. »Hilf mir, dieses Ding an Land zu ziehen.«
Sie zogen das Boot gemeinsam über den Strand und versteckten es in den mit Ginster bewachsenen Dünen. Spencer ging zurück und kam mit seinem Seesack über der Schulter wieder. Rebecca führte ihn zu ihrem Vauxhall.
Spencer musterte sie prüfend. »Seit wann hast du nicht mehr geschlafen?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Laß mich fahren.«
Sie warf Spencer die Autoschlüssel zu. Er verstaute seinen Seesack im Kofferraum, setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an. Weil er vor Kälte zitterte, stellte er die Heizung auf volle Leistung, so daß Rebecca sich bald wie in einer Sauna vorkam. Sie hielten in dem Dorf Ballochgair und kauften an einem Imbißstand Tee in Plastikbechern und Schinkensandwiches. Spencer verschlang drei Sandwiches und trank den heißen Tee in kleinen Schlucken.
»Erzähl' mir, was du weißt«, verlangte er dann, und Rebecca beschrieb ihm eine Viertelstunde lang die Topographie der Norfolk Coast, die Lage des Landsitzes und den Grundriß von Hartley Hall. Sie war erschöpft. Sie sprach automatisch, als bete sie die Einzelheiten auswendig herunter, ohne bewußt darüber nachzudenken. Es war unsinnig, daß Gavin Spencer hier war - er war ein Stratege, kein Attentäter -, aber sie war froh, daß er gekommen war.
Rebecca schloß die Augen, als er weitere Fragen stellte. Sie versuchte, sie zu beantworten, aber sie merkte, wie ihre Stimme leiser und leiser wurde, während der Wagen über eintöniges Moorland und durch den Carradale Forest raste. Die drückende Hitze raubte ihr die letzte Kraft. Sie versank in tiefen Schlaf-den tiefsten seit vielen Monaten -, aus dem sie erst wieder erwachte, als sie in Norfolk die Küste entlangfuhren.
28
HARTLEY HALL, NORFOLK
Allem Anschein nach war dieser Tag ein typischer Wintertag in Hartley Hall. Das Wetter war klar und hell, die Seeluft belebend frisch. Nach dem Mittagessen fuhren sie in Douglas Cannons Dienstwagen nach Cley und machten dick vermummt einen Strandspaziergang nach Blakeney Point. Die Nordsee glitzerte in strahlendem Sonnenschein. Die von der Special Branch gestellten Leibwächter folgten ihnen mit einigem Abstand, während Nicholas Hartleys Setter die Seeschwalben und Ringelgänse terrorisierten. Gegen Abend zog eine Regenfront über die Norfolk Coast hinweg. Als die Dinnergäste eintrafen, war daraus ein heulender Nordseesturm geworden.
Kurz nach 22 Uhr kam Gavin Spencer hinter der Sichtblende im North Wood hervor und rannte durch den Wald zum Strand.
Er sperrte den Kofferraum des Vauxhalls auf, holte den Seesack heraus und warf ihn sich über die Schulter. So überquerte er den Campingplatz und klopfte an die Tür des Wohnwagens.
Rebecca Wells schob den Vorhang des Fensters neben der Tür ein bißchen zur Seite und sah nach draußen. Sie öffnete, und Spencer kam die zwei Stufen herauf. Der Sturm schlug die Tür hinter ihm zu. Vier Männer hockten zusammengedrängt in dem winzigen Raum. Spencer, der das Team persönlich zusammengestellt hatte, kannte jeden einzelnen Mann gut: James Fletcher, Alex Craig, Lennie West und Edward Mills.
Die Luft im Wohnwagen war dick von Zigarettenqualm und dem Geruch nervöser Männer, die seit zwei Tagen in Zelten geschlafen hatten. Fletcher und Craig saßen an dem kleinen Eßtisch, West und Mills hockten auf der Bettkante - alle unrasiert und schlecht gekämmt. Rebecca war dabei, Tee zu kochen.
Spencer stellte seinen Seesack auf den Fußboden und öffnete ihn. Er holte eine Uzi nach der anderen heraus, gab sie den Männern und verteilte dann volle Magazine. Einige Sekunden lang füllten metallische Geräusche den Wohnwagen, als die Männer die Magazine einsetzten und die Waffen durchluden.
Spencer behielt
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