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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Oranierorden daran gehindert, durch die katholische Garvaghy Road in Portadown zu marschieren. Wie die meisten Oranier war Mills der Überzeugung, er habe das Recht, jederzeit und überall auf öffentlichen Straßen zu marschieren, auch wenn das den Katholiken nicht paßte. Aus Protest gegen diese Blockade hatte er damals gemeinsam mit anderen sechs Wochen lang in der Nähe der Kirche von Drumcree campiert. In diesem improvisierten Lager hatte Gavin Spencer ihn für die Ulster Freedom Brigade angeworben.
    Jetzt spurtete er über den alten Friedhof und wich bemoosten Grabsteinen und schiefstehenden Kreuzen aus. Er hatte das überdachte Friedhofstor schon fast erreicht und wollte eben das Tempo verschärfen, als er einen stechenden Schmerz am linken Schienbein fühlte. Seine Beine verwickelten sich in etwas, und er knallte aus vollem Lauf hin. Bevor er sich aufrappeln konnte, sprang ihm ein Mann auf den Rücken, traf seinen Hinterkopf mit zwei Schlägen und hielt ihm mit einer behandschuhten Hand den Mund zu. Mills spürte, daß er dabei war, das Bewußtsein zu verlieren.
    »Keine Bewegung, keinen Laut, sonst kriegst du eine Kugel in den Kopf«, sagte der Mann, und sein ruhiger Tonfall verriet Edward Mills, daß das keine leere Drohung war. Gleichzeitig dämmerte ihm die schreckliche Erkenntnis, daß er geradewegs in eine Falle gerannt war. Der Mann versuchte, ihm die Uzi zu entreißen. Mills war töricht genug, sich zu wehren. Der Ellbogen des Mannes traf seinen Kopf, und in der nächsten Sekunde verlor Edward Mills das Bewußtsein.
    Alex Craig und Lennie West rannten über die deckungslosen Wiesen des Hirschgeheges auf den Ostflügel von Hartley Hall zu. Die beiden Männer waren UVF-Veteranen, die schon viele gemeinsame Einsätze hinter sich hatten. Sie liefen mit schußbereit gehaltenen Waffen fast lautlos nebeneinander her.
    Jetzt verließen sie das Hirschgehege und erreichten die Kiesfläche vor dem Ostflügel. Im nächsten Augenblick rief eine Männe rstimme hinter ihnen: »Halt, Waffen weg und Hände auf den Kopf!«
    Craig und West erstarrten, aber ihre Hände umklammerten weiter die Uzis.
    »Weg mit den Waffen!« wiederholte die Stimme. 
    Auf dem Campingplatz am Strand bei Blakeney, auf dem sie vor dem Unterne hmen gezeltet hatten, waren Craig und West sich darüber einig gewesen, daß sie notfalls lieber kämpfen als sich ergeben würden. Sie wechselten einen Blick.
    »Scheint 'ne Falle zu sein«, flüsterte Craig. »Für Gott und Ulster, was, Lennie?«
    West nickte knapp. »Ich übernehme den Kerl hinter uns.«
    »Verstanden.«
    West ließ sich fallen, wälzte sich auf den Bauch und begann wild ins Dunkel zu ballern. Auch Alex Craig warf sich zu Boden und gab einen Feuerstoß auf den Ostflügel ab, der Glas zersplittern ließ. Sekunden später kam die Antwort aus dem zerschossenen Fenster: das aufblitzende Mündungsfeuer einer Maschinenpistole mit Schalldämpfer.
    West sah ebenfalls Mündungsfeuer, das aus dem hohen Gras des Hirschgeheges kam, aber es gelang ihm nicht mehr, sich zur Seite zu wälzen. Der Feuerstoß traf seinen Kopf und ließ ihn in einem Schauer aus Blut und Gehirnmasse zerplatzen.
    Craig wußte nicht, was seinem Kameraden zugestoßen war.
    Er schoß weiter auf den Mann im Fenster, aber der andere hatte bereits seine Stellung gewechselt. Dann merkte er, daß Wests Waffe verstummt war. Ein rascher Blick zeigte ihm eine kopflose Leiche, die neben ihm im Kies lag.
    Er schoß das erste Magazin leer, schob ein neues in seine Uzi und begann wieder zu schießen. Sekunden später hatte der SAS-Mann am Fenster über ihm ebenso sein Ziel gefunden wie der Mann im Hirschgehege hinter ihm. Craigs Körper wurde von MP-Feuerstößen durchsiebt. Seine letzten Schüsse, die sich lösten, als die Hand des Sterbenden sich am Abzug der Uzi verkrampfte, trafen die kunstvoll gearbeitete Turmuhr in der Kuppel des Ostflügels; die Zeiger blieben auf 4.01 Uhr stehen.
    Während Gavin Spencer zur Südveranda spurtete, hörte er das heftige Feuergefecht zwischen Hirschgehege und Hauptgebäude. Er überlegte sekundenlang, ob er umkehren und in den sicheren North Wood flüchten sollte. Er hatte keine Ahnung, was der Schußwechsel bedeutete. Hatten seine Männer es geschafft, ins Gebäude einzudringen? Waren sie von den Leibwächtern des Botschafters zurückgeschlagen worden?
    Spencer blieb einen Augenblick unschlüssig und schweratmend stehen. Er horchte auf weitere Schüsse, aber er hörte nur Wind und Regen. Dann

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