Der Bourne Befehl
einen nach dem anderen an. »Und bringt Tequila her, aber genug«, rief er einem anderen zu, ein Seitenhieb gegen Essai, der als Muslim keinen Alkohol trank.
Während sie sich setzten, hatte Essai ein verschlagenes Lächeln auf den Lippen, und in seinen Augen brannte ein stilles Feuer, als hätte er sich bereits eine passende Strafe für Corellos’ Respektlosigkeit ausgedacht. Nicht jetzt, nicht morgen oder in den nächsten Tagen; Geduld war eine wichtige Tugend für einen Muslim. Corellos hingegen war heißblütig und jähzornig; Bourne wusste, dass er mit seiner Bemerkung den Gesichtsverlust gegenüber seinen Männern wiedergutmachen wollte. Für Essai machte das die Beleidigung sicher nicht geringer. Diese beiden Männer mochten vielleicht Partner sein, aber sie konnten einander ganz offensichtlich nicht ausstehen – eine Tatsache, die sich irgendwann als nützlich erweisen konnte.
Essai sah Bourne an und ignorierte Corellos, als der Drogenbaron eine volle Flasche Tequila an die Lippen setzte. Er trank in langen, gierigen Schlucken, während seine Augen vor Wut funkelten. Essai hatte seinen Feldstuhl so gestellt, dass er Bourne gegenübersaß. Damit war klar, dass Corellos nur ein Beobachter bei diesem Gespräch sein würde, kein aktiver Teilnehmer.
»Die Domna hat Sie im Visier«, begann Essai.
»Sie haben schon in Thailand versucht, mich zu töten«, antwortete Bourne und lehnte sich zurück. »Ich habe vor, den Spieß umzudrehen.«
Jemand brachte Maiseintopf mit Fleisch in Tonschüsseln für Essai, Bourne und Corellos. Der Drogenboss spuckte in seine Schüssel, fegte sie mit dem Handrücken vom Tisch und wandte sich wieder seinem Tequila zu. Die Flasche glitzerte in dem Sonnenstrahl, der durch das Blätterdach drang.
Essai nickte. »Verstehe. Aber Sie haben ihnen einen schweren Schlag versetzt – und glauben Sie mir, die werden alles versuchen, um Sie zu töten.«
»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
Essai musterte ihn mit unergründlichen Augen. »Ich glaube Ihnen, dass Sie es ernst meinen.« Er seufzte, stellte seine Schüssel auf den Tisch und verschränkte die Finger im Schoß.
Bourne versuchte zu erkennen, ob sich da Resignation oder Zufriedenheit in Essais Geste ausdrückte. Vielleicht auch beides.
»Ich weiß, Sie trauen mir nicht«, sagte Essai achselzuckend. »Ehrlich gesagt, ich würde es an Ihrer Stelle auch nicht tun.« Er beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Aber ich sage Ihnen etwas: Sie haben der Domna eine empfindliche Niederlage zugefügt. El-Arian wollte Salomos Gold finden und damit einen neuen Goldstandard schaffen, um die amerikanische Währung zu schwächen. Das ist jetzt natürlich kein Thema mehr. Die Domna hat dadurch viel Zeit und Geld verloren.« Er applaudierte. »Gut gemacht!«
Bourne hörte keine Spur von Sarkasmus in seiner Stimme.
Plötzlich verdunkelte sich Essais Gesicht. »Wenn das nur schon das Ende der ganzen Geschichte wäre. Aber leider fängt es für uns beide jetzt erst richtig an.«
»Ich nehme an, ihr Plan B hätte ähnlich schlimme Konsequenzen.«
»Wahrscheinlich, vielleicht sogar schlimmere«, sagte Essai achselzuckend.
Es folgte eine angespannte Stille, bis Bourne schließlich sagte: »Sie wollen damit sagen, Sie wissen nicht, wie dieser Plan B aussieht.«
»Nein, ich weiß nur, dass sie damit ihren Einflussbereich auf die Vereinigten Staaten ausdehnen wollen.« Er erschlug einen Moskito auf seinem Unterarm und wischte den Blutfleck ab. »Ich sehe die Enttäuschung in Ihrem Gesicht.«
»Enttäuschung ist stark untertrieben. Ich weiß gar nicht, warum Sie mit mir sprechen wollen.«
Als Bourne aufstand, sagte Essai: »Die Domna hat jemanden auf Sie angesetzt.«
»Es ist nicht das erste Mal, dass mir das passiert, und es wird nicht das letzte Mal sein«, erwiderte Bourne unbeeindruckt. »Ich werde überleben.«
»Nein, Sie haben mich nicht verstanden.« Essai erhob sich ebenfalls. »Wenn die Domna zu einem solchen Mittel greift, dann setzt sie nicht irgendeinen Killer ein, um ihr Ziel zu erreichen.«
»Und was bedeutet das?«
»Das heißt, der tödliche Schlag wird selbst für Sie überraschend kommen: dann, wenn Sie es am wenigsten erwarten.« Er hob warnend einen Zeigefinger. »Und er wird von jemandem kommen, der …«
»Ja?«
Essai holte tief Luft. »Es ist so, Mr. Bourne: Ich brauche Sie.«
Bourne musste sich zusammennehmen, um ihm nicht ins Gesicht zu lachen. Aber er schüttelte nur den Kopf.
»Ich weiß, es ist
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