Der Bourne Befehl
lassen. Semid war die wahre Gefahr. Nach El-Arians Tod war er das Herz und die Seele von Severus Domna. Ohne seine Unterstützung wäre die Organisation so empfindlich geschwächt, dass Soraya, Peter und ihr Team allein mit ihnen fertig wurden. Doch wenn Abdul-Qahaar überlebte, hätte er die Domna so fest im Griff, dass er mit Hilfe ihrer Agenten, die in die verschiedenen Behörden eingeschleust worden waren, jederzeit einen vernichtenden Terroranschlag durchführen konnte. Das durfte Bourne nicht zulassen.
Draußen auf der Straße erzählte er Rebekka von El-Gabal und von seinem Plan. »Höchstwahrscheinlich hält sich Abdul-Qahaar dort auf. Ich kenne einen Weg hinein, so ähnlich wie du in die Synagoge eingedrungen bist«, fügte er hinzu. »Entweder du kommst mit, oder unsere Wege trennen sich hier.«
Sie zögerte keinen Augenblick. Mit dem Taxi fuhren sie zum Bahnhof, wo er den Matchbeutel mit dem Werkzeug aus dem Schließfach holte. Rebekka betrachtete ihn mit einem leisen Lächeln auf den Lippen.
»Was ist denn so lustig daran?«, fragte Bourne, als sie den Bahnhof verließen.
»Ach, nichts.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich hab nur daran denken müssen, dass ich recht hatte und meine Vorgesetzten sich geirrt haben.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Es war nämlich kein Zufall, dass ich in dem Flugzeug gearbeitet habe, mit dem du geflogen bist.«
»Der Mossad hat mich beschattet.«
»Du denkst, ich bin vom Mossad?«
Er schwieg, während er sie durch die breiten Straßen zur Avenue Choukry Kouatly führte. Mit ihren typisch syrischen Kleidern fielen sie nicht auf. Rebekkas Kopf war von ihrem Hidschab verhüllt.
» Ich bin dir gefolgt«, sagte sie schließlich. »Als ich auf die Verbindung zwischen Semid Abdul-Qahaar und Severus Domna stieß, war mir klar, dass sich unsere Wege kreuzen. Dein falscher Name hat mich nicht getäuscht; ich hatte dein Foto gesehen und es mit denen in unseren Akten verglichen.«
»Dann hat es dich auch nicht überrascht, dass ich weggelaufen bin.«
»Ehrlich gesagt, ich hab es fast erwartet.«
»Ich schulde dir was, weil du für mich bezahlt hast.«
Sie lächelte. »Gern geschehen.«
»Das sagst du, weil ich dich zu ihm bringe.«
Sie lachte leise. »Was meine Vorgesetzten über dich zu wissen glauben, ist alles falsch.«
»Dann lassen wir’s dabei«, schlug er vor.
Nach zwanzig Minuten waren sie in der Nähe des Firmengeländes angelangt. Drinnen brannte in vielen Fenstern Licht, obwohl es zwei Uhr nachts war. Bourne registrierte aus seinem Versteck die gesteigerte Aktivität und die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen auf dem Gelände. Im Ladebereich wimmelte es jetzt von Bewaffneten. Es waren noch keine Lastwagen angekommen, doch der erste rollte gerade auf der Straße heran. Ihm blieb weniger Zeit, als er gedacht hatte, höchstens eine Stunde.
Rebekka, die neben ihm hockte, sah ihn skeptisch an. »Bist du sicher, dass wir da reinkommen?«
Bourne öffnete den Matchbeutel. »Pass auf«, sagte er.
Boris saß in einem Café, das die ganze Nacht geöffnet hatte, das linke Bein auf einen Stuhl gelegt. Der Arzt, den er aus dem Bett geholt hatte, um seine Wunde versorgen zu lassen, verlangte eine horrende Summe, obwohl er Boris von früher her kannte. Boris ließ sich auf keine langen Diskussionen ein.
Nachdem er die Synagoge verlassen hatte, war er eine halbe Stunde vergeblich durch die Straßen der Altstadt geirrt, um Berija zu finden. Seine Wut auf den Direktor des SWR war grenzenlos. Doch dann, so als wäre ein Schalter umgelegt worden, änderte sich seine Haltung. Wahrscheinlich lag es am Schmerz, der so heftig wurde, dass er kaum noch auf dem linken Bein stehen konnte, und auch die Erschöpfung machte sich nun bemerkbar. Berija konnte warten; er musste sich zuerst um sich selbst kümmern.
Und so saß er nun bei einer Tasse türkischem Kaffee und einem Teller mit klebrigen Süßspeisen und schluckte dazu eine Tablette nach der anderen: Schmerzmittel und Antibiotika. Der Kaffee wärmte sein Inneres, während er das Kommen und Gehen auf der Straße beobachtete.
Nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass nicht der Schmerz schuld war, dass er die Verfolgung abgebrochen hatte; schließlich hatte er schon Schlimmeres durchgemacht und nicht aufgegeben. Sein Sinneswandel hatte irgendwie damit zu tun, dass er Jason Bourne begegnet war. Das kurze Zusammentreffen hatte ihm gezeigt, dass sein Leben doch nicht nur von Feindschaft und Machtkämpfen geprägt war. Es gab darin
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