Der Bourne Befehl
»Ich weiß nicht genau, ob ich …«
»Es ist gerade das Verbotene daran, können Sie das verstehen?«
Hendricks verstand es nicht, aber in diesem Moment wünschte er sich, er könnte es.
»Sie haben noch nie etwas Verbotenes getan, nicht wahr?«
Maggie saß ihm gegenüber mit ihrem Martini in der Hand und betrachtete ihn neugierig. Sie hatten einen Fenstertisch ergattert und konnten draußen auf dem Bürgersteig die jungen Leute vorbeispazieren sehen – Touristen ebenso wie Einheimische.
»Sie waren immer schon einer von den Guten.«
Es ärgerte ihn ein wenig, aber gleichzeitig faszinierte es ihn, wie schnell sie ihn einzuschätzen vermochte. »Wie kommen Sie darauf?«
Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink, in dem kleine Lichter zu funkeln schienen. »Das riecht man einfach.«
Er lächelte unsicher. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
Sie stellte ihr Glas auf den Tisch, beugte sich vor und nahm seine freie Hand in die ihre. Sie drehte sie um, öffnete seine Finger und betrachtete die Handfläche. In dem Moment, als sie seine Hand nahm, war Hendricks wie elektrisiert, und ein angenehmes Kribbeln wanderte über seinen Arm in die Brust und bis hinunter zwischen die Beine. Er fühlte sich, als wäre er in eine Wanne mit warmem Wasser gestiegen.
Ihr Blick schnellte kurz zu seinen Augen hoch, und er hatte das starke Gefühl, dass sie genau wusste, was er empfand. Ein Lächeln breitete sich langsam in ihrem Gesicht aus, doch es war ohne Ironie oder Arglist.
»Sie waren entweder der älteste Bruder oder ein Einzelkind. Aber auf jeden Fall der Erstgeborene.«
»Das stimmt«, sagte er nach kurzem Zögern.
»Darum haben Sie auch so ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl. Das ist bei Erstgeborenen immer so, fast so, als wäre es angeboren.«
Es hatte etwas überaus Sinnliches, wie sie mit dem Zeigefinger über die Falten seiner Handfläche strich. »Sie waren immer ein guter Sohn, und später wurde aus Ihnen ein guter Mann.«
»Ich war aber kein besonders guter Ehemann – zumindest beim ersten Mal. Und ein guter Vater war ich schon gar nicht.«
»Ihre Verantwortung gilt eben Ihrer Arbeit und dem Land.« Sie schien ihn mit ihren Augen zu sich zu ziehen. »Das stand für Sie immer an erster Stelle, nicht?«
»Ja.« Hendricks wusste selbst nicht, warum er so heiser klang.
Er räusperte sich, zog seine Hand zurück und kippte die Hälfte seines Single-Malt-Whiskys hinunter. Der kräftige Schluck trieb ihm die Tränen in die Augen, und er hätte sich beinahe verschluckt.
»Vorsicht«, scherzte Maggie, »sonst kommen Ihre Babysitter gelaufen.«
Hendricks nickte mit geröteten Wangen. Er wischte sich die Augen mit seiner Serviette und räusperte sich noch einmal.
»Besser«, sagte Maggie.
Er war sich nicht sicher, ob das eine Frage war; wenn ja, so hätte es einer Antwort bedurft. Er ließ es jedoch und trank seinen Scotch aus.
»Was mich interessiert: Wie viele Sprachen sprechen Sie eigentlich?«
Sie zuckte die Achseln. »Sieben. Ist das wichtig?«
»Reine Neugier.«
Aber es war doch etwas mehr. Zur Hälfte war er bereits verknallt und genoss das Gefühl, doch da war immer noch die andere Hälfte in ihm, die wachsam blieb und sie noch einmal prüfen wollte. Nicht dass er der Prüfung durch seine Behörden nicht getraut hätte – wenngleich es durchaus schon vorgekommen war, dass sie wichtige Details übersehen hatten. Es war einfach nur so, dass er seinem eigenen Instinkt noch viel mehr vertraute.
Er reichte ihr eine Speisekarte und klappte die seine auf. »Auf was hätten Sie Lust? Oder möchten Sie zuerst eine Portion Windbeutel?«
Sie blickte von ihrer Speisekarte auf und lächelte. »Sie sind so traurig. Liegt es an mir? Sollen wir das lieber ein andermal machen, oder gar nicht? Das wäre …«
»Nein, nein.« Hendricks sagte das lauter und entschiedener, als ihm bewusst war. »Bitte, Maggie. Es ist …« Er blickte zur Seite, und seine Augen sahen einen Moment lang ins Leere.
So als hätte sie seine veränderte Stimmung gespürt, tippte sie auf die Speisekarte. »Wissen Sie, was ich hier gern essen würde? Ein Butterkrebs-Sandwich.«
Sein Blick ging zu ihr zurück, und er lächelte. »Keine Windbeutel?«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Wenn ich’s recht bedenke, hätte ich heute lieber etwas anderes zum Dessert.«
ELF
Nachdem Jalal Essai sich von Bourne verabschiedet hatte, flog er zuerst nach Bogotá und nahm neunzig Minuten später ein Flugzeug nach Europa, so wie er es
Weitere Kostenlose Bücher